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Die Weltgeschichte der Pflanzen

Die Weltgeschichte der Pflanzen

Titel: Die Weltgeschichte der Pflanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Seidel
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vorderasiatischen, europäischen und chinesischen Ackerbauern der Frühzeit. Selbst noch die Urgemeinden Roms auf den sieben Hügeln sahen so aus, bevor sie sich nach und nach die mediterrane Zivilisation aneigneten. Und nicht anders erschienen die Wohnplätze der Germanen und Kelten. Steinbauten kamen in unterschiedlichen Entwicklungsphasen der alten Kulturen hinzu. In Eurasien auch die Schrift. Amerika indes blieb schriftlos.
    Das Inka-Reich, das jüngste Großreich auf dem amerikanischen Kontinent, erlebte eine Blütezeit von etwa hundert Jahren, bevor es durch den Konquistador Francisco Pizarro 1533 brutal niedergerungen wurde. Pizarro selbst, der einige Jahre nach seiner Eroberung von Konquistadoren-Rivalen ermordet wurde, hatte keine Zeit und wohl auch kein Interesse, sich mit der papa , diesem nachwachsenden Inka-Gold, oder anderen Feldfrüchten zu befassen. Angeblich wurde der Konquistador und Bogota-Gründer Quesada als erster Europäer 1532 auf die Kartoffel aufmerksam. (Dass Kolumbus, der in der Tat viele Pflanzen aus der Karibik und Mittelamerika nach Europa brachte, auch die Kartoffel aus der Neuen Welt mitgebracht hätte, ist eine weit verbreitete Legende. Was er allerdings mitbrachte, war die nicht unähnliche batate ; beides wurde in der Folgezeit oft verwechselt.)
    Um 1560 bauten die Spanier die Kartoffel erstmals auf den Kanaren an, zehn Jahre später in Spanien selbst. Von dort gelangte sie nach Italien . Kartoffelknollen waren damals (und blieben auch noch lange) recht klein. Weil sie so ähnlich aussahen wie Trüffel und ebenfalls in der Erde wuchsen, nannten die Italiener sie tartufo oder tartufulo. Noch Friedrich der Große sprach von »Tartuffeln«oder »Tartüffeln«. Erst während seiner späten Regierungszeit vollzieht sich im Deutschen der Übergang zu »Kartoffeln«. Das französische pomme de terre wurde als »Erdapfel« und gleichbedeutend pfälzisch Grumbeere (»Grundbirne«) vielfach eingedeutscht und ist darüber hinaus als »Pommes« in der deutschen Umgangssprache der Gegenwart völlig präsent.
    Die Kartoffel wurde zweimal nach Europa eingeführt: zuerst über den spanisch-italienischen Weg, dann um 1565 nach England durch einen Sklavenhändler, der sie von der venezolanischen Küste mitbrachte. Von diesen beiden Schiffsladungen stammen die europäischen Kartoffelsorten ab.
    Deren Anbau war dann über 100 Jahre eine Liebhaberei von botanischen Gelehrten, hauptsächlich in fürstlichen Gärten. Der landwirtschaftliche Anbau auf dem Kontinent setzt erst im 18. Jahrhundert ein.
    Um 1600, kurz nach der Niederlage der spanischen Armada vor England, kamen die Kartoffeln auch nach Irland. Hier wurden sie weitergezüchtet und entwickelten sich während des 18. Jahrhunderts zum Grundnahrungsmittel. Daran zeigt sich bereits deutlich die Tendenz, dort, wo Getreideanbau schwierig und Missernten häufig waren, den Kornanbau durch die anspruchslosere und weniger wetteranfällige Kartoffel zu ersetzen.
    Zu Anfang des 17. Jahrhunderts wurde die Kartoffelpflanze auch auf dem westeuropäischen Kontinent bekannt. Der bedeutende Botaniker Clusius erwähnte sie erstmals im Jahr 1601: Man bewunderte und pflanzte das exotische Gewächs wegen seiner schönen Blüten in Gärten. Die Knolle wurde nicht als Nahrungsmittel erkannt und die an ganz andere Tageszyklen gewöhnte Äquatorialpflanze konnte sich in den kurzen Sommernächten Europas nicht so entwickeln wie in ihrer Heimat. Die Wurzelknollen blieben klein.
    Aufgrund eines 1621 in Linz erschienenen Kochrezepts kann man Kartoffeln als Nahrungsmittel in Mitteleuropa zuerst im österreichisch-süddeutschen Raum lokalisieren. Die nächsteWanderungsbewegung mag eine Flucht böhmischer Protestanten nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648 sein. In ihrer böhmischen Heimat waren Kartoffeln nämlich zumindest in den Hausgärten bereits angepflanzt worden. Die Protestanten flohen teils in die calvinistische Pfalz, teils ins lutherische Sachsen und nach Brandenburg. Das wäre der direkte Weg zur Ausweitung des Kartoffelanbaus in Mitteleuropa gewesen.
    Möglicherweise kam die Kartoffel jedoch Mitte des 17. Jahrhunderts auch mit pfälzischen Bauern oder holländischen Kolonisten nach Berlin. 1646 jedenfalls heiratete der Große Kurfürst Prinzessin Luise Henriette von Oranien (für die Schloss Oranienburg gebaut wurde), und in dieser Zeit wurde mitten in Berlin der Lustgarten von dem holländischen Gartenarchitekten Michael Hanff nach dem Vorbild

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