Die Weltgeschichte der Pflanzen
Alltag des Kleinbürgertums trefflich wiedergeben. »Ach!«, spricht Lehrer Lämpel im vierten Streich von Max und Moritz beim Anzünden seines Meerschaumpfeifchens, »die größte Freud’ ist doch die Zufriedenheit!« Busch war selbst in hohem Maße alkohol- und nikotinsüchtig bis an den Rand einer Nikotinvergiftung.
Für Arme, Kleinbauern und Landarbeiter gab es hingegen hauptsächlich eintönige Kartoffelgerichte, Hafergrützen und Brot. Eine Fleischwurst, Kopffleisch oder Innereien vom Rind waren eine seltene Delikatesse. Salat, frisches Gemüse und Obst, Samen und Körner wurden damals kaum gegessen. Nicht, weil man sie nicht hatte, sondern weil sie nicht als nahrhaft galten. Rohkost hätte man um die Jahrhundertwende kaum als »richtiges« Essen betrachtet. Von Vitaminen wusste man um 1900 noch nichts.
Dann traten zwei Ärzte auf den Plan: Dr. Maximilian Bircher-Benner (1867-1939) in der Schweiz und Dr. John H. Kellogg (1852 bis 1943) in den USA .
Entdeckt hat der Zürcher Arzt Bircher-Benner seine »Apfeldiätspeise« auf einer Bergwanderung, als er bei einer Sennerin einkehrte und dort ein Rohkostgericht aus Korn, Apfel, Milch und gehackten Nüssen vorgesetzt bekam. Kraftstrotzende Alpenhirten vor Augen erkannte er sogleich den gesundheitlichen Wert dieser Nahrung beim Vergleich mit den anämischen Gestalten aus seiner Arme-Leute-Praxis im Zürcher Arbeiterstadtviertel Aussersihl. Das Urmüsli enthielt übrigens viel mehr Obst als heute.
Bircher wob eine ganze Ernährungsphilosophie von »Sonnenlichtnahrung« und »Lebendiger Kraft« (so der Name seines später gegründeten Sanatoriums) um seinen neuen Ernährungsplan. Dazu gehörte auch die Ansicht, man könne die aus Sonnenlicht fließende Energie über Pflanzennahrung sozusagen direkt aufnehmen; Tiere, die Fleischlieferanten, hätten hingegen diese Sonnenenergie schon für ihr eigenes Leben zum Großteil verbraucht. Eng verknüpft war die neue Ernährungsmethode mit einer damals aufkommenden Hinwendung zur Natur, mit Lebensreform (aus der die Reformhäuser hervorgingen) bis hin zu nackten Luft- und Sonnenbädern, Klistieren, Wassergüssen, mehr Bewegung und »positivem Denken«.
All dies ist vor dem Hintergrund zivilisatorischer Fehlentwicklungen in den westlichen Gesellschaften des 19. Jahrhunderts zu sehen, die sich trotz mannigfacher Fortschrittlichkeit der Natur- und Ingenieurwissenschaften und auf manchen anderen Gebieten in ein immer enger und fragwürdiger werdendes Korsett sozialer und geistiger Konventionen gezwängt hatten. Die ungesunden Essensgewohnheiten der damaligen Zeit gehören auch dazu.
In Amerika war die Situation nicht besser, wie jeder Kenner eines herzhaften englisch-amerikanischen Frühstücks mit gebratenem Schinkenspeck, Spiegelei, Nieren, Würstchen, Pfannkuchen und Marmeladen bestätigen kann.
Der etwas exzentrische amerikanische Diät-Arzt John H. Kellogg verdammte Fleisch, Gewürze, Alkohol, Kaffee, Rauchen und Sex. Im Hinblick auf Frischluft, Sonne und Bewegung vertrat er ähnliche naturheilkundliche und lebensreformerische Ansichten wie Bircher-Benner in Zürich. Gemeinsam mit seinem Bruder Will entwickelte Kellogg 1894 ein Verfahren, um Weizenkörner in knusprige Flocken zu verwandeln, weil er wollte, dass seine vegetarische Nahrung ausgiebig gekaut wurde. Die so entstandenen Cornflakes hatten einen sensationellen Erfolg. Will stieg auf Mais als Getreidegrundlage für seine Cornflakes um und gründete 1906 eine eigene Firma für deren Produktion und Versand. Der Markführer Kellogg’s erwirtschaftet heute einen Jahresumsatz von 13 Milliarden Dollar.
Durch Bircher ist der schweizerische Begriff »Müsli« zwar – im wahrsten Sinne des Wortes – in aller Munde, um einen Markennamen handelt es sich jedoch nicht. Entweder hat Dr. Bircher-Benner vergessen, sich das Hafer-Obst-Nuss-Rezept patentieren zu lassen oder er hatte keinen Bruder, der es schützen ließ und erfolgreich vermarktete.
Das Tor zum Schlaraffenland
Hirse
Ins Schlaraffenland gelangte bekanntlich nur, wer sich durch eine »berghohe Mauer von Hirsebrei hindurchfraß«. Hirse war früher in Europa weit verbreitet, heute kennen wir sie eigentlich nur noch aus der nahöstlichen oder asiatischen Küche. Dabei lebte die Masse der Menschen seit dem Beginn des Ackerbaus in der Jungsteinzeit bis an die Schwelle des 19. Jahrhunderts hauptsächlich von Hafer und Hirse. Dann wurden beide von Kartoffel und Mais verdrängt.
In Afrika, Indien und China ist
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