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Die Weltreligionen. Vorgestellt von Arnulf Zitelmann

Titel: Die Weltreligionen. Vorgestellt von Arnulf Zitelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnulf: Zitelmann
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verschwanden wie die Gallier, denen Rom sogar die Sprache nahm. Allein der Glaube hielt die Vertriebenen und Versprengten
     zusammen und aufrecht, ein Glaube besonderer Art. Angesichts immer neuer |96| Drangsale musste jede Generation davon ausgehen, dass ihre Prüfung die letzte sei. Schlimmer konnte es doch gar nicht mehr
     kommen! Jetzt musste der Messias erscheinen oder Elia, sein Vorgänger. Wie auch immer, die Leidenswende stand bevor: Ist die
     Not am größten, ist der Ewige am nächsten! Damit tröstete man sich. War nicht der Tag der Befreiung zu Pharaos Zeiten so überraschend
     gekommen, dass den Frauen nicht einmal die Zeit blieb, den Sauerteig fürs Brot der Wegzehrung anzusetzen?
    In Erinnerung an den Auszug aus dem Pharaonenland wird beim Pessach-Fest das ungesäuerte Mazzenbrot mit den Worten gebrochen:
     »Dieses armselige Brot haben unsere Vorfahren im Land Ägypten gegessen. Alle, die hungrig sind, sollen kommen und essen. Alle,
     die Mangel leiden, sollen kommen und mit uns feiern – dieses Jahr hier und nächstes Jahr in Israel; dieses Jahr als Sklaven
     und nächstes Jahr als freie Menschen!«
    Oft habe ich diese ergreifende Geschichte aus der jüdischen Überlieferung erzählt, die im 3. Jahrhundert unserer Zeitrechnung
     entstanden ist: Rabbi Joschua befragte einst den Elia, wann endlich der Messias komme. Elia sagte: »Da musst du ihn selbst
     fragen. Er sitzt vor den Toren Roms unter den Aussätzigen.« Und Rabbi Joschua fand ihn dort. Der Messias verband seine Geschwüre,
     erst das eine, dann das andere, denn er sagte sich: »Vielleicht werde ich gleich gerufen, da will ich mich nicht verspäten!«
     Der Rabbi trat vor ihn und sagte: »Friede sei mit dir, mein Herr und Meister!« Der Messias erwiderte: »Friede sei mit dir,
     Sohn Levis!« Darauf Joschua: »Israel wartet auf dich, wann endlich kommst du, uns zu erlösen?« Der Messias antwortete: »Ich
     komme, noch heute!« Da kehrte Rabbi Joschua zu Elia zurück: »Der Gesalbte versprach, noch heute zu kommen, aber er kam nicht!«
     Der Prophet verbesserte ihn: »Er meinte, ich komme noch heute, wenn ihr auf Gottes Stimme hört!« – Was für ein Text, der Messias
     unter den »Unberührbaren«, den Verfluchten, in den Toren Roms, blutend und ausgesetzt. Israels Wunden trägt er an seinem Leib.
     Doch er kommt, der Retter, er kommt gewiss, noch heute! Wenn Israel nur endlich auf seinen Gott hört, das gesamte Israel.
     Das ist die Botschaft des Rabbi Joschua.
    Die Juden kommen ohne ihre Geschichte nicht aus. Sie ist für sie existenziell. Es stimmt, kein Volk lebt ohne seine Geschichte,
     und jedes Volk muss sich ihr ständig neu stellen. Auf Israel trifft das alles noch einmal ganz besonders zu. Frage ich einen
     Japaner, einen Türken, oder frage ich einen Briten: Wer war der erste von eurem Volk? Sie wüssten nichts mit der Frage anzufangen.
     Aber kein Jude wäre jemals um die richtige Antwort verlegen: Natürlich, Abraham, das |97| weiß schließlich jedes Kind! Und Abrahams Kinder? Das sind wir alle! Gäbe Israel seine Geschichte preis, hätte es sich selbst
     verloren.
    Das Volk des Buches
    Israel hat seine Geschichte in Buchform festgehalten. In der Hebräischen Bibel, dreigeteilt in Gesetzbücher, Propheten und
     Schriften. Sie setzt ein mit den fünf Büchern Moses (Genesis, Exodus, Leviticus, Numeri, Deuteronomium) und führt über die
     Lehrbücher und Psalmen zu den Schriften der zahlreichen Propheten, von denen an dieser Stelle nur einige genannt sein sollen:
     Jesaja, Jeremia, Daniel, Joel, Amos, Hosea und Micha. Ob Freigeist, rechtgläubig oder Atheist, für alle Juden ist die Bibel
     ein »heiliges« Buch, ein Vermächtnis ihrer Vorfahren, ein Teil ihrer Geschichte.
    Wie ist das Bibelbuch entstanden? Vor 300 Jahren, in Amsterdam, als der Vater vom Beginn dieses Kapitels seinem Sohn die biblischen
     Geschichten erzählte, war das keine Frage. Jahwe selbst hatte seinem Volk die Tora am Sinai persönlich ausgehändigt, und zwar
     doppelt: als schriftliches Exemplar für alle Völker, als mündliche Tora für Israel allein. Seitdem begleitet die Tora Israel
     durch die Zeiten.
    Heute sind wir etwas anderer Meinung. Archäologische Entdeckungen gewähren uns einen vertieften Einblick in die Frühgeschichte
     Israels. Funde von alltäglichen und religiösen Gebrauchsgegenständen, die Freilegung verschütteter Heiligtümer und Tempel,
     das Schreibmaterial alter Zeiten geben uns Aufschlüsse, wie die biblischen Schriften

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