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Die Weltreligionen. Vorgestellt von Arnulf Zitelmann

Titel: Die Weltreligionen. Vorgestellt von Arnulf Zitelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnulf: Zitelmann
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meinem Vater gehen und sagen: Vater,
     ich habe mich verkehrt verhalten, gegen den Himmel und dich. Ich verdiene nicht mehr, dein Sohn zu sein. Stelle mich bei dir
     als Arbeiter ein. Der Junge geht los und kommt zu seinem Vater. Er ist noch ein ganzes Stück weg, da erblickt ihn schon sein
     Vater von weitem. Es geht ihm durch und durch, wie er den Jungen da kommen sieht, er läuft los, fällt seinem Sohn um den Hals
     und küsst ihn. Der aber sagt: Vater, ich habe mich verkehrt gegen den Himmel und dich verhalten. Ich verdiene nicht mehr,
     dein Sohn zu sein. Doch der Vater ruft die Hausangestellten: Schnell, holt die besten Anziehsachen, steckt ihm Ringe an die
     Finger, bringt Sandalen für seine Füße. Nehmt das Mastkalb und schlachtet es, wir wollen feiern und fröhlich sein. Hier ist
     mein Sohn, er war tot, und jetzt ist er wieder da, er war weg, und jetzt habe ich ihn wieder! Also feiern sie. Aber der ältere
     Sohn ist nicht dabei, der arbeitet noch draußen auf dem Feld. Als er heimkommt, in der Nähe des Hauses ist, hört er das Singen
     und Tanzen. Und er ruft einen Angestellten und fragt: Was soll das? Der sagt ihm: Dein Bruder, der ist gekommen. Dein Vater
     hat ihm das Mastkalb schlachten lassen, weil er ihn gesund wieder hat! Da wird der große Bruder böse. Er weigert sich, das
     Haus zu betreten. Schließlich kommt der Vater heraus und redet ihm gut zu. Doch er antwortet: Die ganzen Jahre plage ich mich
     für dich, ständig habe ich getan, was du wolltest. Und was habe ich davon? Mir hast du noch keinen Ziegenbock zum Schlachten
     gegeben, dass ich mir auch mal einen schönen Tag mit meinen Freunden machte. Aber der da, dein Sohn, hat sein Geld mit Huren
     durchgebracht und kriegt auch noch das Mastkalb geschlachtet! Mein Junge, sagte der Vater, du bist doch immer bei mir, und
     alles, was ich habe, gehört auch dir. Aber dein Bruder war |147| tot, und jetzt ist er wieder da! Er war weg, und jetzt habe ich ihn wieder! Das muss doch gefeiert werden, da muss man sich
     doch freuen.«
    Begriffe wie Proletariat oder Kapitalismus mag ich eigentlich nicht, weil sie zu abgegriffen sind. Doch hier sind sie am Platz.
     Sie bringen die Provokation der Botschaft von Jesus auf den Punkt. Seine anstößige Solidarisierung mit den Unberührbaren.
     Die herrschende Religionskaste sah durch den Wanderprediger ihr ganzes System infrage gestellt, in dem es schließlich nur
     noch um die Anhäufung von religiösem Kapital in Form von verdienstlichen guten Werken ging. Dass sich der Jesus mit den Unberührbaren
     solidarisierte, mussten die Behörden als Aufruf zum religiösen Klassenkampf verstehen, und damit hatte sich Jesus um allen
     Kredit bei ihnen gebracht.
    Die panische Reaktion der Jerusalemer Behörden kann man nachvollziehen, wenn man sich vor Augen hält, wie sogar die vergleichsweise
     liberalen Magistrate der griechischen Städte den missionierenden Paulus abstraften: mit öffentlicher Geißelung, Auftrittsverboten
     und gewaltsamer Ausweisung. Paulus sprach ähnliche Adressaten an wie Jesus. An die Christen von Korinth schreibt er:
    »Selig sind die geistlich Armen.« Christus lehrend, wie ihn Rembrandt um 1632 sah.
    |148| »Schaut doch euch an, Geschwister, seht, wer die sind, die Gott beruft. Von den so genannten gebildeten Leuten gibt es bei
     euch nicht viele. Nur wenige haben auch einflussreiche Stellungen, bloß ein paar stammen aus angesehenen Familien. Denn Gott
     hat sich für die entschieden, die man sonst für dumm verkauft, und stellt so die Leute bloß, welche sich für aufgeklärt halten.
     Für die so genannten Schwachen entschied er sich, und stellt damit die Herrschenden bloß. Für die so genannten kleinen Leute,
     für die Zurückgesetzten, entschied er sich, für Menschen, die nichts gelten. Das, was als Größe unter den Menschen gilt, bringt
     er damit um seine Geltung und macht damit den Anspruch der herrschenden Verhältnisse zunichte. Ihr aber seid durch Gottes
     Berufung in der messianischen Gemeinschaft von Jesus.«
    Eine andere Sprache wie bei Jesus, die Verwandtschaft jedoch ist nicht zu überhören. Bei diesem kam noch hinzu, dass er aus
     Galiläa stammte. Das war keine gute Adresse für einen gläubigen Juden. Ausländer waren dort nach der Vertreibung der Zehn
     Stämme in großem Umfang ansässig geworden, und so konnte man bei galiläischen Juden nie ganz sicher sein, ob es sich bei ihnen
     um Samen aus »heiligem Samen« handelte. In der Hauptstadt schätzte man die

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