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Die Weltreligionen. Vorgestellt von Arnulf Zitelmann

Titel: Die Weltreligionen. Vorgestellt von Arnulf Zitelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnulf: Zitelmann
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nach Jerusalem
     aufbrach.
    Was trieb ihn dorthin? Erwartete er, dass Elia ihm zur Hilfe kommen werde? Elia, ein Einzelner, der allein auf sich gestellt,
     ein ganzes Königreich bis in die Fundamente erschüttert hatte? »Selig sind die geistlich Armen«, hatte Jesus, gleichsam wie
     ein neuer Moses, in der Bergpredigt verkündet. Sollte ihnen, den Fallengelassenen, den Verlorenen, den Enteigneten nicht das
     Erdreich gehören? Nicht auch Jerusalem? Nicht auch der Tempel? Natürlich, Jesus musste sich in die Hauptstadt wagen, ins Zentrum
     der religiösen Macht. Er musste es tun, keine Frage, weil er den Behörden auf lange Sicht unmöglich ausweichen konnte.
    Aus heutiger Distanz können wir nicht sagen, wieso Jesus in Jerusalem scheiterte. Die einschlägigen Berichte wurden von der
     konservativen Jakobus-Gemeinde überliefert, wahrscheinlich von Griechenjuden schriftlich festgehalten und redigiert, und die
     Texte sind ständig wechselnden Interessen dienstbar gemacht worden. Wir werden also nie genau erfahren, wieso der Konflikt
     binnen weniger Tage bis zu dem gewaltsamen Ende von Jesus eskalieren musste. Ich denke, dass er sich schließlich selbst freiwillig
     den Behörden stellte, um ein drohendes Blutbad unter seinen Anhängern abzuwenden. »Keiner hat größere Liebe als dass er sein
     Leben lässt für seine Freunde«, sagt Jesus im Johannes-Evangelium. Vielleicht tat er es in der Hoffnung auf einen fairen Prozess?
     Kaiphas aber, der amtierende Hohepriester, soll geraten haben, kurzen Prozess zu machen: »Es ist besser, dass ein einziger
     Mensch sterbe für das Volk, als dass das ganze Volk verderbe.« Und so geschah es dann auch. Der Prozess war eine Farce, eine
     Nacht- und Nebelaktion.
    Dies ist meine Version. Doch ging nicht auch Sokrates, wie Platon erzählt, freiwillig in den Tod? Lieber als dass den Freunden,
     mehr noch, lieber als dass dem geliebten Athen durch seine Flucht Schaden entstünde? Ähnlich verstehe |151| ich die Todesmahlzeit von Jesus, das gebrochene Brot, »für euch in den Tod gegeben«, buchstäblich und wörtlich.
    Später betrachtete man die Kreuzigung als kultisches Sühneopfer. Jesus sah seinen Tod gewiss nicht so, Paulus aber schon.
     Und dessen griechisch-römische Hörer wie auch seine Leser begriffen spontan. Rauchten doch überall in der Welt die Altäre
     (nur nicht bei den Buddhisten!), flossen doch im Römischen Reich täglich Ströme von Blut, um die Götter zufrieden zu stellen.
     Mit dem Opfertod des Jesus Christus waren alle Blutrituale gegenstandslos geworden. Einer, der Gottessohn, hatte für alle
     geblutet, das war genug. Die Altäre begannen zu verwaisen.
    Ich lege den Leserinnen und Lesern die Kreuzigung von Jesus nach dem Evangelium des Lukas vor:
    »Und als sie kamen an die Stätte, die da heißt Schädelstätte, kreuzigten sie ihn daselbst und die Übeltäter mit ihm, einen
     zur Rechten und einen zur Linken. Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun! – Aber der Übeltäter
     einer, die da gehenkt waren, lästerte ihn und sprach: Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns! Da antwortete der
     andere, strafte ihn und sprach: Fürchtest du dich auch nicht vor Gott, der du doch in der gleichen Verdammnis bist? – Und
     er sprach: Jesus, denke an mich, wenn du in dein Reich kommst! Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich ich sage dir: Heute noch
     wirst du mit mir im Paradiese sein! – Und die Sonne verlor ihren Schein, und der Vorhang des Tempels riss mitten entzwei.
     Und Jesus rief laut und sprach: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! Und als er das gesagt, verschied er.«
    Wieder kein historischer Bericht, sondern ein Glaubenszeugnis, das durch viele Hände gegangen ist. Doch auch hier bleibt Jesus
     bis zuletzt den »geistlich Armen« zugewendet. Mit ihm »im Paradiese« sollen sie sein, wie jener Totschläger, Räuber oder Verbrecher,
     den seine letzte Botschaft erreichte.
    Jesus und Amida – im Geist verwandt
    Wie eindrücklich das alles ist. Und nach unserem Gefühl einmalig. Doch, erinnern wir uns, im japanischen Amida-Buddhismus
     findet die Gnadenlehre des Westens ihre östliche Entsprechung. Auch hier kann ich übersetzen: Amida glaubt an uns: Ich muss
     ihn nicht erst dazu bewegen, ich käme immer schon zu spät! Hat doch Amida geschworen, sich keine Ruhe zu gönnen, bis alle
     Wesen |152| die Buddhaschaft erlangt haben. Lesen wir einen Text von Honen, dem Lehrer Schinrans, im 13.

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