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Die Weltreligionen. Vorgestellt von Arnulf Zitelmann

Titel: Die Weltreligionen. Vorgestellt von Arnulf Zitelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnulf: Zitelmann
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Jahrhundert entstanden.
    »Die Gnade ist es, einzig und allein. Durch sie hilft uns Amida mit seiner Kraft. Worauf sonst sollen wir unser Vertrauen
     setzen? Wir können nichts daran ändern, dass wir ständig wieder in Sünde fallen. Ob wir gehen, stehen, ob wir liegen oder
     sitzen. Auch wenn wir reine Gedanken in uns wecken, ist das nicht flüchtig, wie Schreiben auf Wasser? Dann kommen die Wogen
     von Begierde und Hass wieder angebraust, keinen Augenblick setzen sie aus! Wie soll ich also im Stande sein, dem Zustrom vom
     sündlichen Karma ein Ende zu bereiten? Ich armer Sünder! Herr hilf! Namu Amida Butsu! Doch höre, Amida ist ein Erbarmer. Er
     will gerade solchen Sündern helfen, sie sollen die Buddhaschaft erlangen! Zum Eingehen ins Leben sind gerade darum die Sünder
     bestimmt. Menschen, die ihr Vertrauen auf die Kraft eines anderen setzen. Sagt doch bereits das Sprichwort: Wenn schon die
     Guten ins Leben eingehen, wie viel mehr erst die Sünder!«
    Es ist schwer, da noch einen Unterschied zwischen Ost und West zu sehen. Ist aber nicht Honens Amida eine reine Fantasiegestalt?
     Ja und Nein! Wie der Christus von Paulus seinen Rückhalt im historischen Jesus findet, so ist Amida nicht denkbar ohne den
     jungen Siddharta, der auszog und als Buddha die Erleuchtung fand. Wie Jesus ein halbes Jahrtausend später.
    Mir sind solche Parallelen wichtig. Bekräftigen sie sich doch gegenseitig. Sie bestärken in mir den Wunsch, die Religionen
     möchten endlich aufhören, Nabelschau zu betreiben. Wenn sie ihre unverwechselbaren Profile bewahrten und trotzdem zusammenfänden,
     hätten die Stimmen vom Papst und Dalai Lama mehr Gewicht. Dann könnten sie dem schlingernden Planeten Erde besser helfen,
     auf Kurs zu bleiben.
    Römische und reformatorische Christenheit
    Amida-Buddhismus und Christentum sind anspruchsvolle Religionen, weil sie darauf bestehen, dass die Gnade umsonst ist. Wer
     mag das schon glauben? Umsonst ist allein der Tod, sagt ein Sprichwort. Wir investieren und drücken die Daumen, dass es sich
     auszahlt im Jenseits. So sind wir es gewohnt.
    Vom Schenken unter kontrollierten Bedingungen leben die Priesterreligionen. Vom Misstrauen gegen die Gnade, hätte Paulus gesagt.
     Sein Glaube sperrt sich gegen priesterliche Mittelsmänner zwischen Gott und Mensch, die |153| mit besonderen göttlichen Vollmachten ausgestattet sind und die kultischen Handlungen stellvertretend für den »normalen« Menschen
     vollziehen. Der offizielle Titel des Papstes hebt diese Funktion ganz hervor: Der Papst ist der Pontifex maximus, ein Brückenbauer
     zwischen Gott und seinen Geschöpfen, oberster Mittelsmann. Offenbar ist es ein menschliches Bedürfnis, lieber über Brücken
     zu gehen als womöglich ins Schwimmen zu geraten.
    Ursprünglich war das Christentum überhaupt keine Priesterreligion. Verschiedene Gemeindeämter gab es schon bald in der jungen
     Kirche, doch erst in der sechsten Generation tritt zwischen Gott und die Gläubigen eine beamtete Priesterschaft. Ein Rückfall
     in vordemokratische Verhältnisse, so sehe ich es. Um einen Esstisch hatten sich die ersten Generationen zum Liebesmahl versammelt,
     durch das Dazwischentreten des Priesters wurde daraus ein Opferstein. Immerhin, man trieb nicht von Neuem Tiere zum Abschlachten
     an die Altäre. Aber auch die Altäre der Christen rauchten, Weihrauchwolken quollen zum Himmel. Und was brachte der christliche
     Priester seinem Gott dar? Sie erneuerten den Opfertod, den Jesus gestorben war: Sie bannten dessen Fleisch in Brot, dessen
     Blut in Wein, und boten es Gott als Sühneopfer an: als »unblutiges Opfer«, wie man gegenüber den Andersgläubigen gern betonte.
     Jesus, der sich für die Seinen aufgeopfert hatte, wurde zum Lamm Gottes, das die Sünde der Welt trägt. Damit hatte das Christentum
     endgültig Anschluss an die blutigen und rauchenden Altäre seiner Umwelt gefunden – und brachte sich als religiöse Konkurrenz
     in Position.
    Von der Priesterkirche war es nur ein kleiner Schritt zur Papstkirche. Und das unter der Berufung auf Jesus, als hätte Joschua
     ben Mirjam, der Jude, sich die Füße küssen lassen! Hätte Jesus selbst, der immer die Partei der Schwachen und Benachteiligten
     ergriff und für Gleichberechtigung plädierte, ein solches hierarchisches Gebilde in seiner eigenen Gemeinde wohl jemals geduldet?
     Judentum und Islam müssen sich ständig neu über ihre Heiligen Schriften legitimieren, und das entfiel im christlichen

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