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Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Titel: Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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vergessen, was es war, aber wenn es ihr irgendwann wieder einfallen sollte, können sie sicher noch nützlich sein. In der Ecke stehen die größeren Werkzeuge:Forke, Astschere, Spaten, ein Rechen. Gegenüber ist ein kleines, mit Spinnweben überzogenes Fenster, und darunter stehen zwei Segeltuchstühle und ein Klapptisch, wo sie und Oolie immer Tee trinken und plaudern. Sie wünschte, sie wäre mit Oolie hier, nicht mit ihm.
    Auf dem Boden liegt ein Stück Teppich, leicht feucht. Es gibt einen Primusofen, aber die Gasflasche ist leer. Eine Dose Milchpulver steht da, doch der Deckel fehlt und das Pulver ist zusammengebacken wie Zement. Und es gab mal eine Packung Kekse, über die sich die Mäuse hergemacht haben. Nicht ein Krümel ist übrig. Immerhin sind zwei Teebeutel da.
    »Wir sind nicht allzu gut ausgestattet, wie Sie sehen.« Sie lacht, um ihre Verlegenheit zu überspielen.
    Er sagt nichts, sieht sie nur an.
    Sie wünschte, sie hätte ein anderes Oberteil an – ein T-Shirt mit einem Slogan, das ihnen Redestoff bieten und ihre Brüste bedecken würde, die sich unter diesem enganliegenden Seidenstoff heben und senken wie in einem billigen Erotikreißer, vor Panik, Anstrengung, Aufregung oder einer beängstigenden Mischung aus allen dreien. Sie denkt an die Vorfreude, mit der sie den BH anprobiert hat, und weiß, dass es ein furchtbarer Fehler war. Wie zum Teufel kommt sie da wieder raus?
    »Setzen Sie sich doch.«
    Sie zeigt auf einen der Stühle und setzt sich auf den anderen, doch er bleibt stehen, sperrt mit seinem massigen Körper das Licht aus, das durchs Fenster fällt. Der Regen trommelt immer noch aufs Dach, und das Donnergrollen scheint näher zu kommen. Sie könnten eine Weile hier festsitzen.
    »Also, dieses Bauvorhaben. Sie meinen, dass ...?«, plappert sie, ihre Stimme kratzt an der Stille.
    »Dass es eine betreute Wohneinrichtung beinhalten könnte? Ja.« Er starrt sie an.
    Sie zittert. »Aber Sie haben etwas von einem schrecklichen Einkaufszentrum gesagt. Hier, an diesem wunderschönenOrt ...« Vage zeigt sie zum Fenster, wo eine dicke Spinne an einem seidigen Faden auf ihr Abendessen zukrabbelt, eine gefangene Fliege, die hilflos in der Ecke des Netzes zappelt.
    Die Spinne stürzt sich auf ihre Beute. Ah! Doro zuckt zusammen und es gibt ein reißendes Geräusch; unter ihr gibt das brüchige Segeltuch nach und sie springt auf die Füße, doch dabei prallt sie gegen Loxley, weil er in dem engen Raum zu dicht bei ihr steht. Er reißt sie an sich und presst sein Gesicht gegen ihres; sie spürt seinen Mund auf ihrem Mund; riecht sein moschusartiges Aftershave und die animalisches Grundnote seiner warmen Haut. Sie weicht einen Schritt zurück und tritt auf die Zinken des Rechens; der Holzgriff knallt ihr gegen den Kopf. Im nächsten Moment rollen sie beide auf dem leicht feuchten Teppich herum.
    Das Schlimmste ist, sie weiß, dass es allein ihre Schuld ist.
    Sie will sich wehren, stößt gegen die umgefallenen Klappmöbel. »Nein ...«
    Er bedeckt ihren Mund mit seinem; sein Gewicht lastet schwer auf ihr.
    »Komm schon, Dorothy. Das ist es doch, was du willst!«
    »Nein! Ich wollte nur über ...«
    Seine Hand ist unter ihrem Rock und arbeitet sich nach oben vor. Soll sie schreien? Aber es ist keiner da, der sie hören könnte. Sie versucht es mit Reden.
    »... über die Pläne sprechen ...«
    Sie muss Ruhe bewahren und seine Aufmerksamkeit wieder auf das Bauvorhaben lenken.
    »Die Behindertenwohnung?« Sie dreht den Kopf weg, um sich von seinem Mund zu befreien. »Darüber würde ich gern reden.«
    »Reden wir später darüber.«
    Er nimmt ihr Gesicht in beide Hände und fängt wieder an, sie zu küssen. Ihr Kopf stößt gegen die Holzwand, und aus dem Augenwinkel sieht sie, wie die Spinne, die mit dem Essen fertigist, wieder an ihrem Netz hochgeklettert ist und sie interessiert zu beobachten scheint.
    »... das Einkaufszentrum ...«
    »Das hier ist nur zwischen dir und mir.«
    »Nein! Bitte! Erzählen Sie mir von dem Einkaufszentrum!«
    »Du weißt, dass du darauf gewartet hast.« Eine Hand ist in ihrem seidigen Oberteil.
    »Gibt es auch einen Marks & Spencer?«
    »Komm schon, Dorothy.«
    »Einen Möbelladen ...?«
    Sie versucht sich aus seiner Umklammerung herauszuwinden, doch ihre Gegenwehr scheint ihn eher noch anzustacheln.
    »Hat dir schon mal jemand gesagt ...« Die andere Hand schiebt sich in ihren Schlüpfer.
    »Oder Sainsbury’s!«, schreit sie. »Nein! Halt!«
    »... dass du einen tollen

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