Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere
Einkaufszentrum? Die Hälfte der Läden in der Stadt steht jetzt schon leer.«
»Es würde die Wirtschaft ankurbeln. Arbeitsplätze schaffen. Und es gibt Zuschüsse für umweltfreundliches Bauen ...«
»Sie denken, das alles hier mit Beton zuzukippen, wäre umweltfreundlich?« Sie weiß, sie sollte ihn nicht dauernd unterbrechen, aber die Worte sprudeln einfach so heraus.
»Kommt darauf an, wie es gemacht wird. Ein Teil des Grundstücks könnte einer sozialen Einrichtung zur Verfügung gestellt werden, einem Kindergarten, einer Arztpraxis oder – und das fände ich persönlich am sinnvollsten, Mrs. Marchmont – «, er grinst wie ein Kartenspieler, der kurz davor ist, einen Trumpf zu ziehen, » – einer betreuten Wohneinrichtung für Behinderte.«
Sie zuckt zusammen und setzt schnell ein Lächeln auf. Wenn bloß einer der anderen GAGAs hier wäre, um sie zu unterstützen.Ah, da kommt jemand! Winston Robinson stapft den Gartenweg herauf, mit zwei prallen Tüten in den Händen.
»Hallo, Winston. Komm, setz dich zu uns! Wir reden gerade über die Baupläne für die Kleingartensiedlung.«
Doch Winston schüttelt den Kopf. »Ich muss heim zu meiner Frau, sonst krieg ich Ärger. Bin nur hier gewesen, um ein paar Pflaumen zu pflücken, bevor sie der Regen runterholt.« Er öffnet eine der Tüten und nimmt eine große Handvoll reifer Victoria-Pflaumen heraus. »Hier. Davon gibt’s noch jede Menge. Dieses Jahr läuft der Baum Amok! Bedient euch.« Und er eilt davon.
Sie lässt ein paar Pflaumen in ihre Handtasche fallen und steckt sich eine in den Mund. Saft läuft ihr übers Kinn. Auch der Stadtrat beißt in eine reife Pflaume und verstaut den Rest in seiner Aktentasche.
»Inzwischen sieht man sie wirklich überall, nicht?«
»Pflaumen?«
»Unsere farbigen Mitbürger.«
Der Schock trifft sie wie ein Eimer kaltes Wasser.
»Er ist sehr nett«, sagt sie und merkt gleich, wie lasch ihre Reaktion ist.
Den meisten der GAGAs fällt schon lange nicht mehr auf, dass Winston der einzige Schwarze im Verein ist. Doch was Doro am meisten entsetzt, ist die Unverblümtheit von Loxleys Worten, die beiläufige Annahme, sie wäre seiner Meinung. Sie sieht, wie er rot wird, als er seinen Fehler bemerkt.
»Oh, ja, natürlich. Viele von denen sind nett. Verstehen Sie mich nicht falsch.«
»Er ist keiner von denen, er ist einer von uns.«
Zum ersten Mal verweilt sein Blick auf dem tiefen V zwischen den bebenden Wölbungen ihrer Brüste. Sie spürt, wie sie errötet, und wünschte, ihr Dekolleté wäre weniger offenherzig und nicht so wackelig. Sie versteht überhaupt nicht mehr, was in sie gefahren ist an dem Abend, als sie neben ihrem schlafendenMann lag, welcher kleine, quengelige Teufel sie geritten hat, sich so herzurichten.
Plötzlich klatscht ein dicker Regentropfen auf ihren nackten Unterarm. Ein Donnerschlag folgt, und ein Windstoß fegt ihr die Papiere aus der Hand. Als sie versucht, die fliegenden Blätter einzufangen, öffnet der Himmel die Schleusen und riesige Regentropfen prasseln auf sie herunter wie eine lauwarme Dusche. Über die rutschigen Pfade läuft sie zur Hütte auf ihrer Parzelle und kramt in ihrer Tasche nach dem Schlüssel. Loxley rennt hinter ihr her, rutscht im Matsch aus, fällt hin, und dabei öffnet sich seine Aktentasche. Er rappelt sich hoch und sucht hektisch den Inhalt zusammen, der sich im Matsch verteilt hat. Sie kommt ihm zu Hilfe, kriecht unter die nassen Stachelbeerbüsche, um die feuchten Papiere, Stifte, Lineale, Taschentücher, Drops, Winstons Pflaumen und einen kleinen in Folie verpackten Gegenstand einzusammeln, den sie erst, als sie ihn in der Hand hält, als Kondom erkennt.
»Hier.« Sie spürt, wie ihr die Hitze in die Wangen schießt.
»Danke.« Er weicht ihrem Blick aus und steckt es in die Hosentasche.
»Kommen Sie am besten mit rein!« Sie schiebt die Tür der Hütte auf und schüttelt sich das nasse Haar aus den Augen. Kleine Regenbäche laufen in ihr Dekolleté. Er folgt ihr, schüttelt sich wie ein Hund und streift sie im beengten Raum, ein Eindringling in ihrem kleinen Reich.
Die Gartenhütte ist klein und muffig, aber trocken. In den Regalen stapeln sich Blumensamen, Bindfadenrollen, Gartenhandschuhe, Rosenscheren, Handschaufel und -rechen, Stöcke, Pflanzenetiketten, Kataloge, Plastikbinder, Blumentöpfe, Marmeladengläser, Schneckenkorn, Flüssigdünger, Unkrautvernichter und irgendwelche Substanzen, die sie mal in andere Behälter umgefüllt hat. Sie hat
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