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Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Titel: Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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Körper hast ...« Jetzt fummelt er an seinem Reißverschluss herum. »... für dein Alter ...«
    »Für mein ...?! Aaaah!«
    Sie tritt zu und erwischt das Blatt des Spatens, der zwischen den Zähnen der Forke klemmt, die im Griff der Astschere steckt. Der ganze Haufen stürzt über ihm zusammen. Die Astschere trifft ihn an der Wange. Blut spritzt und läuft ihm in den Mundwinkel, so dass er aussieht wie ein grinsender Vampir. Wenn sie ihm nur einen Pfahl durchs Herz treiben könnte. Wo hat sie bloß die Rosenschere gelassen?
    Eine schnelle Bewegung am Fenster lässt sie aufblicken – die Spinne krabbelt durch ihr klebriges Netz. Und hinter dem Netz, hinter dem Fenster, ein Gesicht, vertraut, ein flüchtiger Blick auf – sie erstarrt.
    »Oolie!«
    »Was ist los?« Er setzt sich abrupt auf. »Ich dachte, du wolltest ...« Blut läuft ihm übers Kinn auf sein Hemd.
    Sie reicht ihm ein Taschentuch aus ihrer Handtasche. »Ich glaube, Sie gehen jetzt lieber.«
    Er rappelt sich auf und streicht sich die Kleider glatt. Doro zieht ihr Oberteil hoch und den Rock herunter und öffnet die Tür der Hütte. Es regnet immer noch, aber nicht mehr so stark. Es ist keine Spur von irgendjemandem zu sehen.
    »Auf Wiedersehen, Mrs. Marchmont«, sagt er.
    Seine Augen sind hart. Seine Stimme ist kalt. Es läuft ihm immer noch ein Rinnsal Blut über das Gesicht. Er nimmt seine Aktentasche.
    »Ich werde mir Ihre Begeisterung für Marks & Spencer merken.«
    Dann geht er rutschend über den matschigen Weg davon.
    Doro wartet, bis er außer Sichtweite ist, dann lässt sie sich in den verbliebenen Segeltuchstuhl fallen und wünschte, es wäre noch Gas im Ofen. Für eine Tasse Tee würde sie jetzt sonst was geben. Selbst wenn ihre Absichten heute Morgen nicht ganz ehrbar waren, hat sie doch wohl das Recht, ihre Meinung zu ändern, wenn sie feststellt, dass sie es mit einem Mann zu tun hat, der von der Idee eines Einkaufszentrums besessen ist; einem Mann, der sich an der Hautfarbe eines Menschen stört; einem Mann, der sagt, sie sei attraktiv für ihr Alter !
    Das flüchtige Bild von Oolies liebem Gesicht im Fenster muss eine Vision gewesen sein, ausgesandt, um sie zu retten. Die Spinne ist aus dem Netz verschwunden und krabbelt irgendwo herum, aber als Doro durch die staubige Scheibe sieht, entdeckt sie jemanden, der durch die Parzellen auf sie zumarschiert kommt, den Kopf im Regen eingezogen. Jemand mit einer runden Brille und einem braunen Overall, und – was für ein Segen! – er hat zwei Becher Tee dabei.
    »Oh, vielen Dank, Mr. Philpott! Woher wussten Sie ...?«
    »Ich habe Sie mit diesem Stadtrat gesehen. Alles in Ordnung?«
    »Ja. Schon gut. Ich meine ...« Wie viel hat er mitbekommen?, fragt sie sich. »... eigentlich ist überhaupt nichts gut,weil sie auf die Hälfte des Grundstücks ein Einkaufszentrum setzen wollen und auf die andere irgendein Wohnheimprojekt.«
    Er seufzt. »Etwas ist faul im Staate Doncaster!«
    »Ja. Allerdings. Ich bin etwas mit ihm aneinandergeraten, aber ...«
    Sie hofft, das erklärt ihr zerzaustes Aussehen und auch das Herumgerolle auf dem Boden, falls er es mitbekommen hat. Da sieht man mal wieder, dass man in einer Kleingartensiedlung nie so allein ist, wie man vielleicht denkt.

Clara
    Unprofessionell
    »Oolie, das darfst du dir aber nicht angewöhnen.«
    Oolie-Anna kommt in Claras Klassenzimmer geschlichen, setzt sich zu ihr ans Lehrerpult und fingert an einer Schachtel Wachsmalstifte herum.
    »Ich will mit dir reden.«
    »Wieder über Filme?« Clara seufzt.
    Es hat gerade vier geschlagen, die Kinder sind alle fort, und in der stillen Verschnaufpause am Ende des Schultags ist sie im Kopf gerade noch einmal den heutigen Unterricht durchgegangen und hat überlegt, was gut gelaufen ist und was sie hätte besser machen können.
    »Keine Filmer.« Oolie zeigt aufs Fenster. »Isser wieder da?«
    Clara braucht einen Moment, bis sie begreift, dass Oolie den Hamster meint. Sie fragt sich, ob Oolie ein Geständnis ablegen will.
    »Bist du hier, weil du über den Hamster reden willst?«
    »Nicht über den Hamster.« Oolie schüttelt wieder den Kopf. »Es ist wegen Mum.«
    »Was hat sie jetzt wieder getan?«
    Clara merkt, dass sie ungeduldig ist. Wirklich, Doro und Oolie sind beide auf ihre Art unmöglich. Ihr Vater muss ein Heiliger sein, dass er es mit ihnen aushält.
    »Sie hat mit diesem Mann gepoppt.«
    Clara schnappt nach Luft und versucht ruhig zu klingen.
    »Mit welchem Mann?«
    »Du weißt schon.

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