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Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Titel: Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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unverhohlene Schadenfreude in ihrer Stimme.
    »Es ist nicht so, wie es aussieht! Jetzt beruhig dich erst mal.«
    »Sag nicht, ich soll mich beruhigen, du Hamstermörder. Also?«
    »Okay! Okay. Ich sag es ihnen.«
    Er will das Telefon abstellen, aber bevor er die Taste gedrückt hat, klingelt es wieder. Es ist Doro.
    »Hallo, Mum. Schön, von dir zu hören. Wie ist es im eisigen Norden?« Er spielt auf Zeit.
    »Alles gut hier oben. Ich bin froh, dass ich dich endlich mal erwische, mein Schatz. Wie geht es dir?«
    »Gut. Alles gut. Mum ...«
    »Hast du von Clara gehört?«
    »Ja, sie hat gerade angerufen. Die Sache ist die, Mum ...«
    »Da bin ich aber froh. Sie hat sich schon Sorgen gemacht, weil du nie zu erreichen warst.«
    »Mhm. Wir haben nett geplaudert.«
    »Wunderbar. Und wie läuft es mit der Doktorarbeit?«
    »Gut. Schön. Die Sache ist die, ich muss ...«
    »Ich bin so stolz auf dich, Schätzchen. Diese bahnbrechende Forschung, die du betreibst. Um das Wissen der Menschheit voranzutreiben. Es ist traurig, dass so viele junge Leute heutzutage nur noch ans Geld denken. Als wir jung waren, in den Sechzigern, haben wir geglaubt, wenn man Talente und eine Ausbildung hat, soll man das als Chance sehen, anderen, weniger Privilegierten zu helfen. Ob du’s glaubst oder nicht, die Leute damals wollten ihre Fähigkeiten dafür einsetzen, die Menschheit zu verbessern. Ich nehme an, so was wirkt altmodisch für eure Generation. Heute ist für die Leute, die was im Kopf haben, ihr Grips nur die Lizenz dafür, andere auszunehmen. Sieh dir Marcus an, er ist so gescheit, aber er würde nie auch nur einen Moment lang ...«
    Und so geht es immer weiter. Nach zehn Minuten fühlt sich Serge moralisch völlig ausgelaugt.
    »Arbeitest du immer noch an dem Projekt in London?«, fragt sie abrupt.
    »Äh ... ja ... nein ... nicht richtig.«
    »Also bist du wieder in Cambridge?«
    »Ja. Ich meine, nicht ganz ... Die Sache ist die, Mum ...«
    »Wunderbar, weil Oolie und ich einen kleinen Ausflug planen. Wir dachten, wir kommen nach Cambridge und verbringen den Tag mit dir. Wie sieht es nächstes Wochenende aus?«

Doro
    Die Spinne
    Oolie freut sich schon auf den Ausflug nach Cambridge nächstes Wochenende, aber Doro freut sich noch mehr auf den Ausflug in den Garten heute Nachmittag.
    Es hat den ganzen Morgen geregnet, doch eben ist die Sonne herausgekommen und strahlt golden zwischen den klumpigen Wolkentürmen herab. Der Regen hat die anderen Kleingärtner abgeschreckt, und es sieht so aus, als hätten sie die ganze Anlage für sich allein. Auch die Insekten sind weg, aber die Vögel sind schon wieder da und picken ungeduldig an den Früchten, sprühen Tropfen von den Blättern, durchwühlen mit dem Schnabel die feuchte Erde, verschlingen Würmer, die sich an die Oberfläche getraut haben, stochern und zerren und machen sich kaum die Mühe, wegzuflattern, als Doro und Malcolm Loxley zum zweiten Mal zwischen den Gemüsebeeten und Obstbäumen hindurchschlendern, deren Äste sich bereits unter dem Gewicht der reifen Äpfel, Pflaumen und Birnen biegen.
    Er trägt ein weißes Hemd und graue Hosen und hat eine Aktentasche dabei. Sie trägt einen ausgestellten Rock und ein seidiges Oberteil, tief ausgeschnitten, um das V zwischen ihren Brüsten zu betonen, die von dem verdrahteten und gepolsterten schwarzen Spitzen-BH von Marks & Spencer in Form gebracht werden. Sie blickt an sich herunter und sieht, wie beim Gehen die Wölbungen ihrer Brüste beben. Hat er es auch gesehen? Er lässt es sich nicht anmerken.
    Am gemeinschaftlichen Brunnen setzt er sich auf einen der Stühle und klappt die Aktentasche auf. »Ich dachte, das hier interessiert Sie vielleicht.«
    Er reicht Doro einen Stoß Papiere, die sie aufmerksam studiert, um ihre Verlegenheit zu verbergen, dass sie seine Absichten falsch gedeutet hat. Es ist das Protokoll der Sitzung eines Stadtratsausschusses über die Zukunft der Kleingartensiedlung, und darin steht, dass Stadtrat Loxley ein Moratorium für das Bauvorhaben und eine neue Sichtung der Sachlage befürwortet. Sieht aus, als wollte er wirklich nur über das Bauvorhaben reden.
    »Sie unterstützen uns also? Waren es die Bohnen, die Sie überzeugt haben, oder der Rhabarber?«
    Er lächelt. »Ich stehe allen Möglichkeiten offen gegenüber.«
    »Welchen Möglichkeiten?«
    »Wir könnten eine Einigung mit dem Bauträger treffen, dass ein Teil des Grundstücks für ein Einkaufszentrum genutzt wird ...«
    »Wozu brauchen wir ein

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