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Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Titel: Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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müssen, oder?«, fragt Lucie naiv.
    »Ist doch alles steuerlich absetzbar. Soll der Steuerzahler mitbezahlen. Soll der Pensionsfonds was spüren. Dann wissen sie, was sie davon haben, wenn sie sich einmischen.«
    »Ist das nicht irgendwie ... unmoralisch?«
    Chicken wirft den Kopf zurück und schnalzt entzückt mit der Zunge. »Banken haben keine Moral, Lucie, sie haben Kostenstellen. Was denkst du, Maroushka?«
    Maroushka kommt gerade mit einem Kaffee aus der Cafeteria und geht auf ihren Schreibtisch zu. Sie trägt heute Rot, nicht das laute Londoner Autobus-Rot, sondern ein tiefes, subtiles Rosenrot, das beim Gehen ihre Knie umspielt.
    »Was ich denke von was?«
    »Die Verunglimpfung der Banker in den Medien. Ist es zu weit gegangen?«
    »Was heißt Verunglipfung?«
    »Du weißt schon, wie sie diskreditiert werden.«
    »Diskredit? Sie kriegen kein Geld?« Sie macht ein erstauntes Gesicht.
    Chicken prustet. »Nein, nur mit Worten diskreditiert.«
    »Wörter!« Sie zuckt die Schultern. »In mein Land gibt nur Wörter! Geld ist besser.«
    Als sie den Computer anstellt und sich einloggt, sehen ihr Chickens Raubtieraugen gierig zu. Serge fühlt sich matt und schwach. Das war’s dann also – der tumbe Tootie wird auf den Drehstuhl befördert und Maroushka auf den weichen Hochflorteppich in Chickens Büro. Es heißt, Chicken hätte mit den meisten weiblichen Angestellten der FATCA was gehabt, es liegt also eine gewisse Unvermeidbarkeit darin.
    Und was soll aus ihm werden? Ja, der Ausflug nach Cambridge hat ihn zum Träumen gebracht. Die Stille und die alten Gemäuer. Das goldene Licht. Der feuchtfröhliche Nachmittagmit Doro und Oolie auf dem Fluss. Und Otto und Molly mit ihrem neuen Baby. Gutzi-gutzi-sabber-sabber-blubb-blubb. Vielleicht ist es an der Zeit, dass auch er sesshaft wird. Er darf nicht vergessen, die junge Familie anzurufen. Ihnen ein schönes Geschenk zu kaufen. Irgendwas Teures, Überflüssiges, das sie sich nie selbst kaufen würden.
    Er hält den Kopf gesenkt und starrt auf ein paar Gleichungen, während er darauf wartet, dass Chicken verschwindet, damit er sich mit dem Handy auf die Behindertentoilette schleichen kann, aber als er wieder aufsieht, stehen Maroushka und Chicken zusammen im Glaskasten und studieren irgendwelche Ausdrucke. Er kann nicht hören, was sie sagen, doch er kann sehen, wie sie kichert, und Chickens geiles Grinsen sieht er auch. Merkt sie nicht, dass der nur hinter ihrem Körper her ist?
    Höre das Lied von Serge!
    Chicken ist ein Arsch ...
    Er wird ihr keine Babys und beständige Liebe schenken, so wie Serge. Aber vielleicht ist ihr das auch klar, und sie weiß nur nicht, wie sie ihn taktvoll abwimmeln soll. Mädchen haben manchmal Schwierigkeiten, ihren Willen kundzutun. Gedanken an Ritterlichkeit schießen ihm durch den Kopf. Zum ersten Mal empfindet er etwas, das an Hass erinnert, für Chicken, seine geistlosen Ansichten, seinen Mangel an Ironie, seine animalische Körperlichkeit.
    Drüben in der Devisenecke ist plötzlich lautes Gebrüll zu hören. Irgendetwas Großes ist gerade auf den Märkten passiert. Er wirft einen Blick auf den Fernsehbildschirm. Die isländische Regierung hat die Zinsen auf unglaubliche achtzehn Prozent erhöht. Wogen des Wahnsinns branden durch den Handelsraum, als die Trader losstürzen, um so schnell wie möglich Kasse zu machen. Die ganze Welt ist verrückt geworden. Selbst Chicken kommt heraus, schreitet zur Mitte seines Handelsraumsund breitet die Arme aus, das Gesicht von innerer Freude erleuchtet, wie ein Heiliger, der darauf wartet, in den Himmel aufzufahren.
    Auf dem Weg zum Ausgang bleibt er einen Moment an Serges Schreibtisch stehen.
    »Kannst du gegen vier zu mir ins Büro kommen, Freebie? Ich möchte was mit dir besprechen.«

Doro
    Woolworth
    Am Dienstagnachmittag, als Oolie Unterricht hat, nimmt Doro den Bus ins Zentrum und geht zu Marks & Spencer. Obwohl es draußen regnet, ist das Kaufhaus fast leer, und selbst die paar Leute, die durch den Laden schlendern, scheinen mehr zu gucken, als zu kaufen. Sie geht hastig an der Wäscheabteilung vorbei, ohne auch nur den Kopf zu drehen. In der Tasche hat sie den neuen cremeweißen Bügel-BH, den sie noch nicht getragen hat, und den Kassenbon.
    »Er ist nicht sehr bequem.« Sie überreicht den BH der Frau an der Kasse. »Ich hätte gern das Geld zurück.«
    Was sie nicht sagt, weil es zu demütigend wäre, ist, dass sie gestern Abend den schwarzen Satin-BH anhatte, und Marcus hat sie lange

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