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Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Titel: Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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und nachdenklich angesehen, als sie sich auszog, und schließlich gesagt: »Keynes glaubte, dass diese letzte Stufe des Kapitalismus, die von der Finanzialisierung der Wirtschaft geprägt ist, den Sieg der Spekulation über den Unternehmergeist darstellt.«
    Mit anderen Worten, das verdammte Ding ist ihm noch nicht mal aufgefallen.
    Danach geht sie zu Woolworth, um einen neuen Schrubber zu kaufen. Sie hat ihre Lektion gelernt: Einer Frau ihres Alters steht Hausarbeit besser als Reizwäsche.
    »Bar oder Karte?«
    Die Verkäuferin ist eine Frau mittleren Alters mit steifem gelbem Haar, das in die Höhe steht, als wäre es aus Styropor. Sie nimmt die Karte und steckt sie in das Gerät, während Doro zusieht. Irgendwie kommt sie ihr bekannt vor. Als sie wieder aufsieht und Doros Blick auffängt, starren sie einander einen Augenblick an, und dann lächelt die Frau zögernd.
    »Gehören Sie nicht zu denen, die früher in der alten Villa der Bergbaugesellschaft gewohnt haben?«
    Doro nickt verwirrt. »Ich weiß, dass ich Sie kenne, aber ...«
    »Janey Darkins. Die Suppenküche in Askern. Wissen Sie noch?«
    »Natürlich!«, lacht Doro. »Das ist so lange her. Ihr müsst uns alle für total durchgeknallt gehalten haben.«
    »Nur ein bisschen.« Janey lächelt. Ihre Zähne sind makellos und viel zu weiß.
    »Wir haben geglaubt, dass die Revolution kurz bevorsteht.«
    »Ja, das haben wir mitbekommen.«
    »Und ihr habt für uns den revolutionären Geist der Arbeiterklasse verkörpert.«
    »Ach Gott! Wir wollten nur, dass sie die Zeche nicht dichtmachen, und unseren Kerlen die Arbeitsplätze retten.« Sie hält inne, und unter dem gelben Styroporhaar sieht man ihrem Gesicht das Alter an. »Aber ihr wart da, als wir euch gebraucht haben, Schätzchen. Weißt du noch – als Maggie uns den ›inneren Feind‹ genannt hat.«
    »Ich weiß es noch.«
    »Es waren nur so Spinner wie ihr, die sich für uns eingesetzt haben. Bloß wer Kohle hat, hat immer genug Anhänger.«
    »Wie ist es mit euch weitergegangen, als sie die Zeche dichtgemacht haben?«, fragt Doro.
    »Jimmy und ich haben uns getrennt. Aber es ist nicht alles nur schlecht gelaufen. Ich hab auf der Abendschule die Mittlere Reife gemacht. Und das war eigentlich wegen dem Italiener – Bruno. Der bei euch gewohnt hat. Also, der hat unsein, zwei Sachen beigebracht. Und zwar nicht nur Spaghettikochen.«
    »Ich wusste gar nicht, dass zwischen dir und Bruno was gelaufen ist.«
    »Ich bekomme immer noch ab und zu einen Brief von ihm. Er ist jetzt verheiratet.«
    Sie kramt unter dem Tresen herum und legt ein Familienfoto auf den Tisch: zwei Mädchen, noch keine Teenager, eine hübsche dunkelhaarige Frau in einem rosa Kleid und Bruno, älter, grauer und irgendwie trauriger, aber immer noch herzzerreißend schön. Als sie das Foto sieht, spürt Doro einen Stich der Eifersucht, nicht nur auf die Frau im rosa Kleid, sondern auch auf Janey, die wenigstens ein Foto von ihm hat. Gegen alle Vernunft und Erfahrung hatte sie tief im Herzen das Gefühl gehabt, er gehörte eigentlich ihr.
    »Kanntest du Megan? Megan Cromer?«
    »Du meinst Megan Risborough?«
    »Sie hat gesagt, sie heißt Megan Cromer.«
    »Die hat immer geschwindelt. Sie und ihr Mann, der Streikbrecher.«
    »Bruno sagte, ihr Mann hätte sie geschlagen.«
    »Die hätte ich auch geschlagen, wenn ich sie in die Finger gekriegt hätte.«
    Doro lacht und wünscht, sie könnte auch einmal so frei von Schuldgefühlen und politischer Korrektheit sein. »Aber irgendwie hatte sie immer was Trauriges an sich«, sagt sie. »Die ganzen Stofftiere auf ihrem Bett. Dass sie den Jungen immer bei ihrer Mutter ließ. Als wäre sie selbst nie erwachsen geworden. Auch dass sie sich einen falschen Namen gegeben hat. Als wollte sie lieber jemand anders sein.«
    »Die hat doch ständig gelogen. Sie hat rumerzählt, Bruno wäre der Papa von dem Kind gewesen – von dem kleinen mongoloiden Mädchen.«
    »Du meinst ...«
    »Das wäre gar nicht gegangen, Schätzchen. Ich weiß es, weil er die ganze Zeit bei mir war. Sieh dir den Kalender an. Aber du kannst sie auch selbst fragen. Sie ist wieder da. Wohnt oben in Elmfield. Kümmert sich viel um ihren Enkel. Sie war sogar ein-, zweimal hier.«
    »Ich erinnere mich noch an den Tag, als Bruno sie mitgebracht hat.«
    Janey kichert. »Der ist ganz schön rumgekommen, was? Na ja, da war er nicht der Einzige.«
    Plötzlich kommt Doro ein ernster Gedanke. »Habt ihr von dem Feuer gehört?«
    »Ja, davon haben

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