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Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Titel: Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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ihr nach all den Jahren immer noch eiskalt über den Rücken – jenes schreckliche Gefühl von Verantwortung gepaart mit Hilflosigkeit überfällt sie in Stresssituationen heute noch. Sie hatte den nächtlichen Tumult nicht gehört – sie schlief in der Dachbodenkammer zur Straße hin –, aber am Morgen war sie die Erste gewesen, die nach unten kam, und hatte die Überreste des Gemetzels überall im Garten entdeckt.
    Und irgendwo in ihrem Gedächtnis dümpelt noch eins der ungelösten Geheimnisse ihrer Kindheit, etwas, das Serge an jenem Tag gesagt hat.
    Er sagte, Megan sei draußen gewesen, nachts, in der Dunkelheit im Garten, und habe den Fuchs angeschrien: »Hau ab, du Mistkerl!«
    Und noch jemand, ein Mann, hatte gerufen: »Verdufte!«
    Dieser Ausdruck – ein vertrauter Ausdruck aus ihrer Kindheit.
    Ein altmodisches Wort, sehr muttersprachlich, kein Wort, das ein Italiener verwenden würde.
    Wer war es dann?
    Denn nach dem Aufklärungsunterricht in der Schule bei Mrs. Wiseman hat Clara die Wochen gezählt, und sie hat sich ausgerechnet, dass Oolie-Anna genau neun Monate nach dem Kaninchenmassaker zur Welt kam.

Serge
    Verunglimpfung
    Serge öffnet die Augen und versucht das Geisterkaninchen wegzublinzeln, aber es hockt immer noch da, am Fuß seines Bettes. Er hatte wieder diesen Traum. Das Geisterkaninchen scharrt vor sich hin, gräbt tiefe Tunnel mit seinen schrecklichen Klauen. Wonach sucht es? Nach etwas Verlorengegangenem. Dann erinnert er sich – die Tüte mit den Briefen seiner Bank, die er am Samstag im Kahn liegen gelassen hat. Er hat natürlich beim Verleih angerufen, aber der verschnarchte Typ am anderen Ende hatte keine Ahnung und war offensichtlich auch nicht bereit, aufzustehen und nachzusehen. »Vielleicht ist die Tüte in den Fluss gefallen.«
    Vielleicht, aber es kann nicht schaden, mal nachzusehen, oder, du Blindgänger?
    Nervös zieht er sich an und fragt sich, was er jetzt tun soll. Die örtliche Bankfiliale aufzusuchen, wie der Brief nahelegt, den er geöffnet hat, scheidet als Option natürlich aus.
    Es gibt Verluste – und Verluste. In den Frühnachrichten im Radio verkündet ein Sprecher der Bank of England, dass die Geldinstitute weltweit seit dem Sommer 2008 2,8 Billionen Dollar verloren haben. Es lässt ihn kalt.
    Wie so oft nach dem Traum fühlt er sich durcheinander, als wäre die Welt aus dem Lot, ohne dass es jemand merkt, oder sie tun alle so, als wäre alles normal. Man muss sich nur die Politiker ansehen. Alistair Darling und Gordon Brown habendie Anti-Banker-Rhetorik hochgeschraubt, und genau auf so was fahren Marcus und Doro ab, dabei ist es vollkommen belanglos. Die Typen reden, als hätten sie irgendwelche Macht über die City, während in der City jeder weiß, dass die Politiker alle Macht verloren haben. Es gab einen Zeitpunkt im letzten Jahr, da hätten sie agieren können, Regulierungen verhängen, Transparenz erzwingen, aber damals haben sie gekniffen, und jetzt haben die Banken ihre Rettungsgelder, warum also sollten sie irgendetwas anders machen? Es ist die ultimative Wette ohne Risiko. Wenn sie gewinnen, streichen sie die Einnahmen ein – und wenn sie verlieren, übernimmt der Steuerzahler die Rechnung. Darüber muss sich auch keiner beschweren. Das ist eben einfach so. So wie sich Kaninchen nun mal vermehren.
    Chicken hat einen guten Spruch dazu. »Wisst ihr, was mit diesem Land nicht stimmt? Das ganze Land ist von den Banken abhängig, aber sie können die Banker nicht ausstehen. Ha! Das ist die Politik des Neids.« Serge hört es zufällig mit an, als Chicken Toby und Lucian am Nebentisch zulabert. »Sie denken, es gäbe eine bessere Art des Bankwesens. Ethischer. Mit niedrigeren Boni. Was glauben die, was passieren würde, wenn sie uns zwingen würden, unsere Boni zu kürzen? Wir sind genauso im System gefangen wie sie.«
    »Interessanter Gedanke, Chief Ken«, schleimt Toby, »aber können sie überhaupt irgendwas tun?«
    »Keine Chance.« Chicken zeigt seine spitzen Zähne. »Denn wenn sie’s versuchen, dann packen wir unsere Koffer und ab geht’s nach Singapur, oder?«
    »Genau«, Toby nickt. »Oder nach Liechtenstein.«
    »Wisst ihr, die Jungs bei Barclays hatten die richtige Idee. Die haben das verdammte Rettungsgeld abgelehnt. So kann die Regierung ihnen nicht in die Boni pfuschen. Das Geld, das sie brauchten, haben sie im Nahen Osten aufgetrieben, für 14 %, ohne Haken und Ösen.«
    »Aber für das Geld vom Schatzamt hätten sie doch nur 10 % zahlen

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