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Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Titel: Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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unerträglich.
    Das Erste, woran man bei jeder Offensive denken muss, ist, dass man Verbündete braucht.
    Sie beugt sich hinüber und flüstert Mr. Philpott zu: »Tut mir leid, dass ich Sie neulich angeschrien habe.«
    Die Septembersonne sickert durch das Laub des Pflaumenbaums und sprenkelt das Gras mit Licht und Schatten, und die Gärtner auch, die an ihrem Tee nippen und eine Packung leicht feuchter Kekse herumreichen. Hoch oben im Blau ziehen die Schwalben Schleifen und Kreise und jagen nach Mückenhäppchen. Bienen summen in den Obststräuchern, und auch das schwache Rauschen des Verkehrs auf der A630 ist ein Teil der natürlichen Landschaft geworden, wobei Reggie zufolge die gute Erreichbarkeit über die Schnellstraße dafür verantwortlich ist, dass die Kleingartenanlage überhaupt ins Visier der Baulöwen geraten ist.
    »Irgendeine Kanaille mit tiefen Taschen will sich hier ’ne goldene Nase verdienen.«
    »Sie planieren das Paradies ...«, sagt Winston Robinson, frei nach Joni Mitchell.
    »... und bauen ein Parkhaus drauf«, stimmt Doro ein.
    Bei der dritten Kanne Tee nimmt ein Schlachtplan Formen an. Reggie, Danny und Jim werden die anderen GAGAs mobilisieren. Ada Fellowes setzt sich mit dem Pfarrer in Verbindung: »Es ist an der Zeit, dass der sich mal die Finger schmutzig macht.« Doro, die ja neulich Stadtrat Loxley kennengelernt hat, wird ihn zu einer Begehung der Kleingartenanlage einladen und versuchen, ihm die genauen Fakten des Bauvorhabens zu entlocken.Helen wird ihn mit ein paar Gläsern ihres in ganz Doncaster berühmten schwarzen Johannisbeergelees bestechen. Winston Robinson wird eine Petition verfassen. Mr. Philpott wird eine Liste von Forderungen zusammenstellen.
    Seit Solidarity Hall hat Doro nicht mehr diesen Kitzel gespürt, sich an einer militanten Aktion zu beteiligen.
    »Wann fahren wir heim, Mum?«, quengelt Oolie.
    »Bald.« Doro nimmt sie in den Arm. »Wir machen hier nur einen Plan, wie wir den Kleingarten retten können. Du willst doch auch nicht, dass sie hier einfach ein paar Häuser draufstellen, oder?«
    »Ist mir egal.«
    Gelangweilt zieht Oolie eine Schnute. In letzter Zeit ist sie immer so schlecht gelaunt. Ihr altes quirliges Ich kommt nur noch zum Vorschein, wenn sie von der Cafeteria bei Edenthorpe erzählt oder Clara aufzieht.
    »Schau, Oolie, die Schwalben!« Doro zeigt in den Himmel, doch Oolie zuckt die Schultern.
    »Sind doch nur blöde Vögel.«
    Als sie nach Hause kommen, setzt Doro aus reiner Gewohnheit Wasser auf – obwohl sie schon drei Tassen Tee getrunken hat und in ihrem Alter auf ihre Blase achten muss – und loggt sich ins Internet ein. Sie geht auf die Seite der Stadtverwaltung und notiert sich Malcolm Loxleys Nummer, unter der sich ein Anrufbeantworter meldet. Überrumpelt hinterlässt sie eine wirre Nachricht.
    »Sie erinnern sich vielleicht ... wir ... äh ... sind uns in der Grundschule von Greenhills begegnet ... Ich wollte Sie um Hilfe bitten, in einer dringenden Angelegenheit ...«
    Das Radio läuft im Hintergrund, als sie Spaghetti kocht – irgendetwas über eine amerikanische Bank, die pleitegegangen ist. Geschieht ihnen recht. Bestimmt hat Marcus beim Abendessen das eine oder andere dazu zu sagen. Genau in demMoment, als die Pasta den kritischen Al-dente-Punkt erreicht, klingelt das Telefon. Mist! Sie balanciert das Telefon in einer Hand und den Topf in der anderen und versucht, ohne freie Hand für den Topfdeckel die Nudeln in der Spüle abzugießen.
    »Ja? Doro Marchmont.«
    »Malcolm Loxley. Sie hatten angerufen.«
    Seine Stimme ist tief, samtig und selbstbewusst. Eine mächtige Stimme, der Yorkshire-Akzent klingt nur leicht in den harten Vokalen an.
    »Was kann ich für Sie tun?«
    »Ich habe im Namen des Kleingärtnervereins von Greenhills angerufen. Wir haben von Plänen gehört, unsere Kleingartensiedlung zu Bauland zu machen, die der Bauträger mit irgendwelchen reaktionären Mitgliedern der Gemeindevertretung ausgeheckt hat, und wir wollten Sie um Unterstützung für unsere Kampagne bitten« (sie spürt, wie sie in Fahrt kommt), »diese skrupellosen Profitjäger rauszuwerfen und das Recht der Arbeiter ... ich meine, der Kleingärtner ... ach, Mist! ...«
    Ohne Deckel sind die dampfenden Spaghetti mit einem Schwung aus dem Topf in der Spüle gelandet, wo sie sich um das ungewaschene Geschirr schlingen wie bleiche Würmer.
    »... auf die Erträge ihrer Gemüsebeete zu schützen.«
    »Ich verstehe.«
    »Und ...?«
    »Kann ich Sie

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