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Die Wesen (German Edition)

Die Wesen (German Edition)

Titel: Die Wesen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Lux
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zweite Charge ihrer Fracht bergen sollten. Der Fluss war unbändig und übte eine hypnotische Wirkung aus. Wenn sie länger auf die dahinschießenden Wellen sah, machte es sie schwindelig und konnte sie leicht dazu bringen, in die Fluten zu fallen.
    Sie stiegen durch das offene Tal. Da rief Schüssli etwas.
    „Hier liegt ein Fallschirm“, hörte Laima ihn über das Tosen des Wassers hinweg schreien. „Was hat das zu bedeuten?“
    Langsam näherten sich auch die Anderen.
    „Das muss der Fallschirm aus Kapitän Ranjids Flugzeug sein“, schrie Schüssli aufgebracht und hob eine Art Rucksack hoch. „Das heißt, jemand hatte den Fallschirm während des Fluges an.“
    „Und warum regen sie sich so auf?“, sagte Gerold von Stein und trat vor.
    „Bleiben sie zurück!“, schrie Schüssli und zog ein Messer.
    Es war das Messer, das sie von den Dropa mitgenommen hatten, mit dem sie das Ziegenfleisch zerteilt hatten. Wie gerade Schüssli an das Messer kam, war Laima ein Rätsel.
    „Machen sie keine Dummheiten, Roger!“, sagte von Stein.
    „Was wissen sie, was sie uns verschweigen?“, sagte er zu von Stein und hielt das Messer in seine Richtung. „Sie wollen mir doch nicht sagen, dass sie nicht auch sofort die gleichen Schlüsse gezogen haben wie ich? Wenn sie so cool sind, sind sie das nur, weil sie etwas wissen. Sagen sie es!“ Er stach auffordern mit dem Messer in die Luft.
    Von Stein schwieg einen Augenblick und schien zu überlegen, wie er anfangen sollte, ohne dass alles außer Kontrolle geriet.
    „Verkaufen sie uns nicht für dumm, Gerold“, sagte Schüssli. „Wenn jemand den Fallschirm getragen hat, bedeutet es, dass er einen Grund hatte, ihn zu tragen. Da er uns anderen nicht sagen wollte, dass er den einzigen Fallschirm an sich genommen hatte, wollte er uns etwas verschweigen. Nicht nur wegen des Fallschirms allein, sondern weil etwas passieren würde, das uns alle in Gefahr bringt. Ich habe einen Blick ins Cockpit geworfen. Die ausgebauten Armaturen weisen darauf hin, dass der beinahe Absturz absichtlich herbeigeführt worden ist, was derjenige wusste, der die Weste trug. Später hat er sie dann über die Klippe geworfen.“ Er machte eine Pause.
    Laima ließ ihren Blick über jeden Einzelnen von ihnen wandern. Gab es eine Reaktion, ein Zucken, ein überlegenes Grinsen? Gab es in der nächsten Sekunde ein Geständnis, das Zücken einer Waffe? Nichts dergleichen geschah. Keiner der Anwesenden zeigte Anzeichen, dass er derjenige war, den Roger Schüssli in seinen Ausführungen beschrieben hatte. Niemand zuckte auch nur mit der Wimper. Entweder der Saboteur war ein verdammt guter Schauspieler oder aber an der Geschichte war nichts dran.
    „Roger“, setzte von Stein vorsichtig an, „wir sind hier alle einer auf den anderen angewiesen.“
    „Ich scheiß auf ihr Gesülze. Gerade sie haben es gewusst und uns anderen nichts gesagt. Sie haben uns in Lebensgefahr schweben lassen. Jeder von uns hätte zu jedem Zeitpunkt Opfer werden können. Ohne es zu ahnen, ohne sich schützen zu können. Ein Messer im Bauch. Über die Klippe gestürzt.“
    „Ich wollte keine Panik verbreiten. Kein Misstrauen säen, wo es vielleicht nicht notwendig ist.“
    „Sie hätten jeden von uns über die Klinge springen lassen. Eiskalt!“
    „Sie haben recht. Es tut mir leid. Es war ein Fehler.“
    „Ein Fehler! Sie hätten uns sofort warnen müssen.“
    „Aber vielleicht war es jemand, der gar nicht zur Gruppe gehörte. Jemand aus Lukla!“, versuchte Gerold von Stein sich zu verteidigen.
    „Oder es war Kapitän Singh selbst“, sagte Laima.
    „Aber jetzt“, sagte Schüssli, „jetzt sollte uns klar sein, dass derjenige, der den Fallschirm hatte, der Täter war.“
    „Trotzdem könnte es Singh gewesen sein“, sagte Figaro Slinkssons.
    Laima wusste nicht recht, was sie von seinem Einwurf halten sollte. Slinkssons bestätigte zwar ihre Meinung, aber ein vages Gefühl im Bauch blieb, dass mit ihm etwas nicht stimmte. Dass er von sich ablenken wollte.
    Roger Schüssli starrte auf das Messer.
    „Trotzdem macht es sie verdächtig, Gerold. Ich fordere sie hiermit auf, nicht weiter Informationen zurückzuhalten, die alle andren betreffen oder gefährden. Verpflichten sie sich, nichts mehr zu unterschlagen?“
    „Mit einem Messer vorm Gesicht bleibt mir nichts andres übrig, oder?“
    Schüssli ließ das Messer sinken.
    „Und jetzt?“, fragte er.
    „Ich schwöre“, sagte von Stein und hob dazu die Hand.
     
    Langsam setzten

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