Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wesen (German Edition)

Die Wesen (German Edition)

Titel: Die Wesen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Lux
Vom Netzwerk:
legte die Flügel an und schoss wie ein Torpedo ungebremst auf sein Opfer zu. Erst in letzter Sekunde öffnete er über seiner Beute die Flügel, bremste damit seinen Sturz und hinderte das Opfer daran, seinem Klauen auszuweichen. Einen kurzen Moment verweilte der Falke so. Sah sich um, ob seine Aktion bemerkt worden war, und stieg dann auf.
    „Dort kommt er“, freute sich Laima.
    Mittlerweile hatten die andren zwei ihren Fehler begriffen und gaben frustriert auf, um erneut nach Beute Ausschau zu halten.
    Da bemerkten sie den Falken, der mit seiner Beute auf dem Rückflug zur Ziellinie war. Sofort erfassten sie, dass es ihre Chance war. Sie steuerten auf ihn zu. Sie schnitten ihm den Weg ab. Einer kam von unten, der andre von oben. Sie teilten sich auf. Es war nicht entschieden, wer von ihnen die Beute für sich beanspruchen konnte, aber der Falke hatte keine Chance, ihrer Falle zu entkommen.
    „Sie werden ihm den Sieg abnehmen“, sagte Figaro Slinkssons.
    Wie vorher auf die Taube stieß nun der Falke von oben auf ihn herab.
    Mit einer geschickten Seitwärtsrolle wich er ihm aus, ohne seine Beute loszulassen.
    „Oh, was für ein Trick. Ich dachte, er fällt einfach vom Himmel.“
    Auch Tsin folgte dem Wettkampf der Falken fieberhaft. Alle Gesichter waren gen Himmel gerichtet. Die ganze Menge ließ Ohs und Ahs vernehmen.
    Jetzt folgte ein Angriff von unten. Sie waren schon fast bei Tsins Sohn, der den Lederhandschuh bereits seinem Vogel entgegenstreckte.
    Mit der Beute in den Fängen ließ sich der Falke im Sturzflug auf seinen Angreifer fallen. Die Wucht des unerwarteten Gegenschlags ließ den überraschten Raubvogel trudeln. Jetzt blieb nur, den Letzten abzuschütteln, der von hinten kam. Sie flogen über die Köpfe der Zuschauer hinweg.
    Ein lautes Oh, als der Falke seine Beute losließ, kurz bevor der letzte seiner Gegner sie ihm entreißen konnte, rollte sich über den Rücken des andren, um sich dann, der Beute hinterher, in die Tiefe zu stürzen. Knapp über dem Boden fing er sie aus der Luft wieder auf und landete sofort auf dem Handschuh seines Herrn, Tsins Sohn.
    Alles jubelte! Die Begeisterungsschreie nahmen kein Ende. Tsin lief sofort zu ihm. Der Sieger wurde bereits samt seinem Vogel in die Luft geworfen.
    Alle, die nicht gerade seinem Sohn zujubelten, gratuliertem Tsin ebenfalls. Dann wurde der schwarze Hengst herangeführt, auf den der Junge mit seinem tollkühnen Jagdfalken, den er stolz auf dem Arm hielt, gesetzt wurde. Tsin führte seinen Sohn auf dem Pferd herum. Die Mutter und die Geschwister klopften abwechselnd auf den Sieger und das Pferd.
    Es dauerte lange, bis sich die Menge beruhigt hatte. Danach wurde doppelt so laut und wild gefeiert wie zuvor. Auf den Sieg hin zündete Tsin mit seinem Sohn mehrere Geldscheine, als Dank an die Geister, an. Immer wieder kamen Männer, Frauen und Kinder, um Tsin und seinen Sohn zu beglückwünschen und das prächtige Pferd zu bestaunen.
    Je mehr getrunken wurde, umso mehr wurde gelacht. Es gab eine Schlägerei, die, statt sie zu unterbinden, von allen Umstehenden noch angeheizt wurde. Professor Carlsen war verschwunden, bis er am späten Abend ziemlich betrunken mit mehreren Männern, die nicht weniger betrunken waren als er, mit Eimern voll Yarsagumbu-Raupen auftauchte. Sie stellten die Eimer in Tsins Jurte ab.
    „Was ist das?“, fragte Schüssli.
    „Das sehen sie doch, mein Lieber. Diese wunderbaren Raupen, für die Chinesen ein Vermögen bezahlen.“
    „Waren sie die ganze Zeit Raupen sammeln?“, fragte von Stein.
    „I wo! Wir haben gewürfelt. Ich hatte eine Glückssträhne. Und diese Kompagnons haben leider verloren. Aber wir sind trotzdem Freunde. Was, Jungs?“
    Die Männer nickten, auch wenn sie nichts verstanden.
    „Thian, dawai! Sag Tsin, dass ich ihm als Anerkennung für seine grenzenlose Gastfreundschaft gerne von meinem Glück etwas abgeben möchte und ihm meinen Gewinn schenke.“
    Tsin schloss den Professor daraufhin lachend in die Arme.
    „Er muss nur versprechen, mir keine Suppe mehr davon zu kochen.“
    Dann verschwand der Professor wieder mit seinen neuen Freunden.
    Die alte Frau, die Tsins Mutter war, kam zu Laima und sagte etwas zu ihr.
    „Sie will die Runen für dich lesen.“
    „Runen?“
    Die Alte holte ein Tuch heraus und breitete es aus. Darin lagen kleine Knochen. Sie sammelte sie alle ein und schüttete sie in Laimas Hand.
    „Werfen! Auf das Tuch werfen!“, sagte von Stein.
    Die Alte nickte und machte ihr eine

Weitere Kostenlose Bücher