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Die Wespenfabrik

Die Wespenfabrik

Titel: Die Wespenfabrik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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mich ebenfalls aufs Beobachten
beschränken. Wenn sie auf die vielen stromgeladenen Dornen des
Volt-Raums fällt, kann ich zusehen, wie das Insekt am
Spieß zappelt; wenn sie unter das sogenannte Totgewicht
gerät, kann ich beobachten, wie sie zerquetscht wird und der
Lebenssaft aus ihr heraussickert; wenn sie durch den Klingenkorridor
taumelt, kann ich zusehen, wie sie sich windet und in Stücke
gehackt wird. Wenn ich einige der Alternativ-Tode angeschlossen habe,
kann ich zusehen, wie sie geschmolzenes Wachs über sich selbst
gießt, wie sie vergiftete Marmelade verzehrt und von einer
Nadel, die von einem verzwirbelten Gummiband gedreht wird, durchbohrt
wird. Sie kann sogar eine ganze Kettenreaktion von Ereignissen
auslösen, die meistens damit enden, daß sie in einer
Kammer gefangen ist, die mit Kohlendioxid aus einem Soda-Syphon
vollgepustet ist. Doch wenn sie entweder das heiße Wasser oder
die Strecke vor der Gewehrmündung mit dem Namen
Schicksalsschleife wählt, dann muß ich direkt in ihr
Sterben eingreifen. Und sollte sie sich dem Feuersee zuwenden, bin
ich es, der den Zünder betätigen muß, der das
Feuerzeug in Gang setzt, der das Benzin aufflammen
läßt.
    Der Tod durch Verbrennen findet immer bei der Zahl Zwölf
statt, und er ist ein Ende, für den es noch nie eine Alternative
gegeben hat. Für mich hat Feuer die Bedeutung von Pauls Tod;
dieser ereilte ihn gegen Mittag, so wie Blyths Dahinscheiden infolge
von Schlangengift durch den Spinnensalon bei der Vier
repräsentiert wird. Esmeralda kam wahrscheinlich durch Ertrinken
ums Leben (die Herrentoilette), und ich nehme den Zeitpunkt ihres
Todes willkürlich mit der Acht an, um dem Ganzen Symmetrie zu
verleihen.
    Ich beobachtete, wie die Wespe aus dem Glas heraufgekrabbelt kam,
unter einem Foto von Eric hervor, das ich mit der Vorderseite nach
unten auf das Glas gelegt hatte. Das Insekt verlor keine Zeit; es war
in wenigen Sekunden auf dem Zifferblatt der Fabrik. Es krabbelte
über den Namen des Herstellers und die Jahreszahl, in der die
Uhr geboren wurde, ignorierte die Wespenkerzen vollkommen und bewegte
sich mehr oder weniger direkt auf die große XII zu, dann
darüber hinweg und durch die Tür gegenüber, die leise
hinter ihm zuklappte. Es krabbelte schnell durch den Gang, durch die
Hummerreusen aus Garn, der es am Zurückgehen hinderte, betrat
dann den glattpolierten Stahltrichter und rutschte schließlich
hinunter in die mit Glas bedeckte Kammer, wo es sterben
würde.
    In diesem Moment lehnte ich mich zurück und seufzte. Ich
strich mir mit der Hand durchs Haar und beugte mich wieder vor, um
die Wespe dort, wohin sie gefallen war, zu beobachten, wie sie in der
geschwärzten und regenbogenfarbigen Mulde aus Stahldraht
herumkletterte, die einst als Teesieb gekauft worden war, jetzt
jedoch über einer Schüssel mit Benzin hing. Ich
lächelte kläglich. Die Kammer war gut durchlüftet dank
der vielen kleinen Löcher im Metalldeckel und -boden des Glases,
so daß die Wespe nicht an den Benzindämpfen ersticken
würde; ein leichter Benzingeruch war gewöhnlich
wahrzunehmen, wenn die Fabrik vorbereitet wurde, allerdings
mußte man besonders darauf achten. Ich roch jetzt dieses
Benzin, während ich die Wespe beobachtete, und vielleicht lag
auch ein schwacher Hauch von trocknender Farbe in der Luft, obwohl
ich mir dessen nicht sicher war. Ich zuckte die Achseln und schob den
Knopf der Kammer hinunter, so daß ein Stück Docht an
seiner Führung entlang einer Aluminiumzeltstange nach unten
glitt und mit dem Rad und der Gasdüse oben auf dem
Wegwerffeuerzeug in Berührung kam, der über dem Benzinteich
schwebte.
    Es waren nicht einmal mehrere Versuche nötig, damit er sich
entzündete; er geriet sofort in Brand, und die schmalen Flammen,
immer noch ziemlich leuchtend in der Dämmerung des nur durch das
schwache Morgenlicht erhellten Dachbodens, kräuselten sich und
leckten an den offenen Maschen des Siebs. Die Flammen schlugen nicht
hindurch, doch die Hitze drang durch die Löcher, und die Wespe
flog hoch, summte ärgerlich über dem ruhigen Feuer, prallte
gegen das Glas, fiel zurück, landete seitlich auf dem Sieb,
glitt über die Kante, fiel in die Flammen, flog wieder hoch,
schlug ein paarmal gegen die Stahlröhre des Trichters, fiel dann
wieder zurück in die Falle aus Maschendraht. Sie sprang noch ein
letztes Mal auf, flog einige Sekunden lang hoffnungslos herum, doch
offenbar waren ihre Flügel angesengt, denn ihr Flug war ein
wildes Gezappel, und kurz

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