Die Wespenfabrik
mit
mir etwas nicht stimmte, weil ich am Morgen, nachdem ich so ein Zeug
gegessen hatte, unter den Armen danach roch, doch inzwischen habe ich
festgestellt, daß Jamie die gleiche Erfahrung gemacht hatte,
deshalb kam ich mir nicht ganz so abartig vor. Ich aß das Curry
und gleichzeitig dazu eine Banane und Joghurt, aber es war mir
trotzdem noch zu scharf, und sogar mein Vater, der schon immer eine
eher masochistische Einstellung zu diesem Gericht hatte, ließ
die Hälfte seiner Portion stehen.
Ich steckte immer noch in meinem Bademantel und saß
fernsehend im Wohnzimmer, als das Telefon klingelte. Ich eilte zur
Tür, hörte jedoch, daß mein Vater aus seinem
Arbeitszimmer kam, um dranzugehen, also blieb ich an der Tür
stehen, um zu lauschen. Ich konnte nicht viel verstehen, doch dann
kamen Schritte die Treppe herunter, und ich rannte zurück zu
meinem Sessel, ließ mich hineinplumpsen und neigte den Kopf mit
geschlossenen Augen und aufklaffendem Mund zur Seite. Mein Vater
öffnete die Tür.
»Frank, es ist für dich.«
»Hm?« sagte ich schläfrig, öffnete träge
die Augen, sah zum Fernsehapparat hin und stand dann ein wenig
taumelnd auf. Mein Vater ließ die Tür für mich offen
und zog sich in sein Arbeitszimmer zurück. Ich ging zum
Telefon.
»M’m? Hallo?«
»Hellou? ’s da Frenk?« sagte eine sehr englische
Stimme.
»Ja. Hallo?« sagte ich verwirrt.
»Ha ha, Frankieboy!« rief Eric. »Also, jetzt bin
ich hier mitten im Herzstück eures Waldes und ernähre mich
immer noch von Hotdogs. Ho ho! Und, wie geht es dir, mein
junger Freund? Stehen die Sterne günstig für dich, was? Was
für ein Sternzeichen bist du noch mal? Ich habe es ganz
vergessen.«
»Hund.«
»Wau! Wirklich?«
»Ja. Was für ein Sternzeichen bist du?« sagte ich,
pflichtschuldig einem von Erics alten Routinespielchen folgend.
»Krebs!« kam die Antwort als lauter Schrei.
»Bösartig oder gutartig?« fragte ich müde.
»Bösartig!« kreischte Eric. »Zur Zeit habe ich
Filzläuse!«
Ich nahm das Ohr vom Plastik des Hörers weg, während
Eric wiehernd lachte. »Hör zu, Eric…«, setzte ich
an.
»Wie jeht’s? Wat läuft? Wat machse? Biste okay? Allet
klar? Un selbs? Mann ei, paß auf! Wo issen dein Kopp jetzt
gerade? Wo kommse? Wo gehse? Herrje, Frank, weißt du, warum
Volvos pfeifen? Ich auch nicht, aber wen interessiert das
schon? Was hat Trotzki gesagt? ›Ich brauche Stalin, wie ich ein
Loch im Kopf brauche.‹ Ha ha ha ha ha! Eigentlich kann ich die
deutschen Autos nicht leiden, ihre Scheinwerfer sind viel zu dicht
beisammen. Gehtsdergut, Frankie?«
»Eric…«
»Ins Bett und schlafen und vielleicht ein bißchen
wichsen. Ach ja, so ist es recht, immer schön nibbeln. Ho ho ho
ho!«
»Eric«, sagte ich und sah mich in alle Richtungen um und
die Treppe hinauf, ob mein Vater irgendwo auftauchte. »Halt
jetzt endlich mal den Mund!«
»Was?« sagte Eric mit kleinlauter, verletzter
Stimme.
»Der Hund!« zischte ich. »Ich habe den Hund
heute gesehen. Dort drunten bei dem neuen Haus. Ich war dort. Ich
habe ihn gesehen.«
»Was für einen Hund?« sagte Eric und legte
Verblüffung in seinen Tonfall. Ich hörte, wie er heftig
atmete, und im Hintergrund klapperte etwas.
»Versuch nicht, mich zum Narren zu halten, Eric. Ich habe ihn
gesehen. Ich möchte, daß du damit aufhörst,
verstanden? Keine Hunde mehr. Hörst du mich? Hast du das
begriffen? Na?«
»Wie bitte? Was für Hunde?«
»Du hast es gehört. Du bist zu nah. Keine Hunde mehr.
Laß sie in Ruhe. Und auch keine Kinder mehr. Keine Würmer.
Vergiß all das! Komm uns besuchen, wenn du willst – das
wäre schön –, aber keine Würmer, keine brennenden
Hunde. Ich meine es ernst, Eric. Du tätest gut daran, mir zu
glauben.«
»Was glauben? Wovon sprichst du eigentlich?« sagte er in
vorwurfsvollem Ton.
»Du hast es gehört«, sagte ich und legte den
Hörer auf. Ich stand neben dem Telefon und sah die Treppe
hinauf. Nach wenigen Sekunden klingelte es wieder. Ich nahm ab,
hörte das Piepsen und legte den Hörer wieder auf die Gabel.
Ich blieb noch ein paar Minuten lang dort stehen, doch es tat sich
nichts mehr.
Als ich gerade ins Wohnzimmer gehen wollte, kam mein Vater aus dem
Arbeitszimmer, wobei er sich die Hände an einem Tuch abrieb,
umweht von eigenartigen Gerüchen und mit weit aufgerissenen
Augen.
»Wer war das?«
»Nur Jamie«, sagte ich, »der seine Stimme verstellt
hat.«
»Hm«, sagte er, offenbar erleichtert, und ging wieder in
sein
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