Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wespenfabrik

Die Wespenfabrik

Titel: Die Wespenfabrik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
Vom Netzwerk:
Hubschrauber über mich hinweg,
wahrscheinlich unterwegs zu einer der Bohrinseln oder einer
Pipeline.
    Ich kam kurz nach Mittag am Müllplatz an und betrat ihn durch
eine Gruppe von kleinen Bäumen. Ich ließ mich im Schatten
eines der Bäumchen nieder und inspizierte den Platz mit dem
Fernglas. Einige Möwen tummelten sich darauf, aber keine
Menschen. Eine schmale Rauchsäule stieg von einem der Feuer in
der Nähe der Mitte auf, und um sie herum lagen der Schutt und
Abfall der Stadt und der ganzen Umgebung: Kartons und schwarze
Plastikbeutel und das glänzende, verbeulte Weiß alter
Waschmaschinen, Herde und Kühlschränke. Papierfetzen
erhoben sich in die Luft und tanzten eine Zeitlang im Kreis herum,
wenn ein kleiner Wirbelwind aufkam, dann fielen sie wieder zu
Boden.
    Ich bahnte mir einen Weg durch den Müll und genoß den
fauligen, leicht süßlichen Geruch. Ich stieß mit dem
Fuß gegen einigen Unrat, drehte ein paar wenige interessante
Dinge mit der Spitze meines Stiefels um, fand jedoch nichts, was des
Aufhebens wert gewesen wäre. Was ich im Laufe der Jahre am
Müllplatz besonders zu schätzen gelernt hatte, war der
Umstand, daß er niemals derselbe blieb; er bewegte sich wie
etwas Großes, Lebendiges, breitete sich wie eine gewaltige
Amöbe aus und verschlang nach und nach all das gesunde Land und
vereinnahmte den vielfältigen Abfall. Doch an diesem Tag
erschien er mir müde und langweilig. Ich empfand ihm
gegenüber Ungeduld, fast Ärger. Ich warf ein paar
Aerosol-Dosen in das schwache Feuer, das in der Mitte schwelte, doch
auch sie boten wenig Zerstreuung, sondern knallten nur halbherzig in
den blassen Flammen. Ich verließ den Müllplatz und ging in
Richtung Süden weiter.
    In der Nähe eines kleinen Wasserfalls, etwa einen Kilometer
vom Müllplatz entfernt, stand ein großer Bungalow, ein
Ferienhaus mit Blick aufs Meer. Es war verriegelt und verlassen, und
es gab keine frischen Spuren auf dem holperigen Pfad, der zu ihm hin
und dann an ihm vorbei zum Strand führte. Es war der Pfad, auf
dem uns Willie, ein anderer Freund von Jamie, mit seinem alten
Mini-Kombi zu unserer Renn- und Rutschfahrt am Strand gefahren
hatte.
    Ich sah durch die Fenster in die ausgestorbenen Räume hinein;
die alten Möbel paßten nicht zusammen und standen
verstaubt und vernachlässigt im Halbdunkel. Auf einem der Tische
lag eine Zeitschrift, deren eine Ecke vom Sonnenlicht vergilbt war.
Im Schatten der Giebelseite des Hauses setzte ich mich hin und trank
den Rest meines Wassers, nahm mir die Mütze vom Kopf und wischte
mir die Stirn mit dem Taschentuch ab. In der Ferne hörte ich die
gedämpften Explosionen von dem Schießplatz etwas weiter
unten an der Küste, und einmal brausten zwei
Düsenjäger über die ruhige See in Richtung Westen.
    In einiger Entfernung von dem Haus begann eine Reihe von niedrigen
Hügeln, bewachsen mit Stechginster und dürftigen, vom Wind
zerzausten Bäumen. Ich suchte sie mit dem Fernglas nach irgend
etwas Interessantem ab und schlug Fliegen weg, während mir der
Kopf allmählich ein bißchen weh tat und mir die Zunge
trotz des Wassers, das ich eben erst getrunken hatte, trocken am
Gaumen klebte. Als ich das Fernglas senkte und die Polaroidbrille,
die ich hochgeschoben hatte, wieder herunterzog, hörte ich
es.
    Etwas heulte. Irgendein Tier – mein Gott, ich hoffte,
daß nicht ein Mensch ein solches Geräusch erzeugte –
schrie vor Pein. Es war ein anschwellendes, qualvolles Winseln, ein
Ton, der nur von einem Tier in höchster Not stammen konnte, ein
Ton, von dem man hofft, daß kein lebendes Wesen ihn je
hervorzubringen braucht.
    Ich saß da, und der Schweiß lief in Strömen an
mir herab, ich war ausgedörrt und litt unter der sengenden
Sonne; trotzdem zitterte ich. Ich schüttelte mich in Wellen von
Kälte, wie ein Hund sich trockenschüttelt, von einer Seite
zur anderen. Meine Haare hinten am Hals lösten sich von der vor
Schweiß klebenden Haut und standen ab. Ich erhob mich schnell,
wobei meine Hände über die warme Hauswand scharrten und mir
das Fernglas gegen die Brust schlug. Der Schrei kam vom
Hügelkamm. Ich schob die Polaroidbrille wieder hoch, setzte das
Fernglas erneut an und haute es mir gegen den Knochen über den
Augen, während ich mit dem Rad für die Scharfeinstellung
kämpfte. Meine Hände zitterten.
    Eine schwarze Gestalt kam aus dem Ginster geschossen und zog eine
Rauchfahne hinter sich her. Sie jagte über das vor Trockenheit
gelbgesprenkelte Gras den Hang hinunter, unter

Weitere Kostenlose Bücher