Die widerspenstige Braut
militärischer Präzision gebunden war. Alles saß so perfekt an ihm wie ein Handschuh … ein sehr gut geformter männlicher Handschuh.
Er war der Typ Mann, der einer Frau durchaus ins Auge fallen konnte. Ganz gewiss war er Samantha ins Auge gefallen, und ihre Reaktion auf ihn erzeugte ein gewisses Unbehagen in ihr. Sie wollte ihn wütend beschimpfen, dass er sie in der Dunkelheit allein gelassen hatte. Gleichzeitig wäre sie am liebsten im Erdboden versunken und hätte ihn so lange beobachtet, bis sie das Zittern ihrer Knie verstanden hätte oder warum sich etwas in ihrem Bauch zusammenzog.
Oder eher … nein, es war nicht ihr Bauch. Die Verkrampfung saß tiefer, sie war nicht schmerzhaft, aber … Sie wusste nicht, was es war, sie wusste nur, dass sie es nicht mochte.
Die Wut war leichter zu verstehen.
Er starrte Kyla an, die sich mit ihrem Ärmel die Nase wischte, und Mara, die sich mit ihrer Stiefelspitze die Wade des anderen Beins rieb. »Stellt euch auf!«, befahl er.
Hastig formierten sie sich in einer Reihe, Agnes an der einen Seite, Kyla am Ende der Reihe. Sie nahmen Haltung an wie gute kleine Soldaten, die Schultern gestrafft, das Kinn gereckt.
Er schlenderte hinüber zu Agnes, machte eine Drehung nach rechts und schritt die Reihe ab. Er blieb vor Emmeline stehen und bedeutete ihr, dass sie ihre Schürze glätten sollte, was sie sofort befolgte. Dann marschierte er zurück und blieb vor Mara stehen. »Mara, was ist das für ein schlürfendes Geräusch?«
Mara blickte sich verwirrt um. »Was für ein Geräusch, Vater?«
»Oh, warte.« Er beugte sich vor, bis er mit ihr auf gleicher Augenhöhe war. »Ich weiß, was es ist. Das sind deine Stiefel, die den Glanz von meinen Stiefeln schlürfen.«
Mara blickte hinunter zu ihren Stiefeln, die zerkratzt und schmutzig waren. Dann auf die ihres Vaters, deren Glanz die Augen geradezu schmerzte.
Als Maras Augen sich mit Tränen füllten, hörte Samantha sich bereits sagen: »Putzen Sie Ihre Stiefel selbst, Colonel Gregory?«
Er blickte sich zu ihr um, und zwar mit unverhülltem Ärger.
»Ich bin Offizier. Natürlich tue ich das nicht.«
»Nun ja, Mara tut das auch nicht«, sagte Samantha heiter.
»Das ist etwas, was Sie gemeinsam haben.«
Samantha konnte das eine oder andere Glucksen hören, das sofort unterdrückt wurde, und Mara richtete sich auf, als wäre ihr eine Zentnerlast von den Schultern genommen worden.
Colonel Gregory war nicht amüsiert. Mit seiner tiefen, irritierenden,
vertrauten
Stimme sagte er: »Miss Prendregast, als ich Sie rufen ließ, habe ich erwartet, dass Sie dieser Aufforderung ohne zu zögern nachkommen würden.«
»In Zukunft werde ich das berücksichtigen.«
Du großer
Rüpel.
»In Zukunft erwarte ich, dass Sie
keine
Zeit bei meinen Kindern vertrödeln und sie mit Kleidern zu bestechen versuchen, von denen Sie annehmen, dass ich sie beschaffen werde.«
Er hatte das mitbekommen! Samantha bot ihm die Stirn und fragte: »An wen sollte ich mich sonst wenden wegen der Kleidung, Colonel?«
Tiefe Röte überzog seine Wangen und seine Stirn, und er fixierte sie scharf. »Wenn irgendwelche Kleider angeschafft werden müssten, dann kämen sie von mir. Aber es wird keine geben.«
Agnes trat neben ihren Vater und verbündete sich mit ihm.
»Ich habe Miss Prendregast gesagt, dass sie unverzüglich zu dir gehen soll, Vater, aber sie bestand darauf, uns zu besuchen.«
Erstaunt und beeindruckt von Agnes’ Fähigkeit, mit ernster Miene und vor allen anderen so dreist zu lügen, musterte Samantha das Mädchen mit erhobenen Augenbrauen.
Agnes errötete tief.
Colonel Gregory beobachtete diesen Austausch. »Ich verstehe.« Er winkte den anderen Kindern zu. »Rührt euch.«
Die Mädchen seufzten und bildeten drei kleine Gruppen.
Henrietta ergriff diese Gelegenheit, um Agnes einen kräftigen Rippenstoß zu versetzen.
Colonel Gregory wandte seine Aufmerksamkeit wieder Samantha zu, und Samantha überlegte, was sie sagen sollte. Was sie denken sollte.
Adorna würde sagen, dass er wie die Berge war: wunderbar, unbeugsam.
Samantha würde ihr zwar zustimmen, aber hinzufügen: hart, erbarmungslos. Sein Kinn war straff, seine Ohren waren klein und saßen so eng an seinem Kopf, als hätte man sie entsprechend geschult. Sein voller Mund lächelte leicht, als er sich bemühte, seine Geringschätzung gegenüber einer Frau zu verbergen, die bei Einbruch der Dunkelheit in Panik geraten war.
Sie schauderte. Nachts in der Wildnis der Berge. Sie
Weitere Kostenlose Bücher