Die widerspenstige Braut
Arbeitszimmer kahl und militärisch sein würde. Stattdessen mutete der reich geschmückte Raum indisch an. Die Tapeten und Vorhänge waren burgunderrot und jadegrün. Ein kunstvoll gewobener Teppich in den gleichen kräftigen Farben lag auf dem Boden aus Hartholz.
Große, üppig gepolsterte Stühle luden sie ein, Platz zu nehmen vor dem großen Mahagonischreibtisch, der mit Schnitzereien aus Schlangenlinien verziert war. »Gestern Nacht, warum haben Sie mir nicht gesagt, wer Sie sind?«
Er stand vor ihr, ein Abbild hochmütiger Herrschsucht.
»Welchem Zweck hätte das dienen sollen?«
»Ich wäre nicht ganz so beunruhigt gewesen, wenn ich es gewusst hätte.«
»Ich wollte, dass Sie beunruhigt sind. Ich nehme die Anwesenheit junger Frauen, die durch den Bezirk wandern, nicht auf die leichte Schulter.«
»Fühlen Sie sich oft bedroht von fremden jungen Frauen?«
»Es hängt davon ab, wie fremd sie sind.« Er trat hinter den Schreibtisch. »Möchten Sie sich nicht setzen?«
Sie war beleidigt worden, und zwar von einem Gebieter. Sie verzog das Gesicht und setzte sich auf einen weich gepolsterten Stuhl direkt ihm gegenüber.
Er blieb stehen. »Ich muss Ihnen sagen, dass ich nicht sehr beeindruckt war durch Ihr Verhalten, als Sie mich zunächst für einen Straßenräuber hielten. Sic haben keine Erfahrungen mit solchen Dingen –«
Sie konnte ein »Ha!« nicht zurückhalten.
Er hob eine hochmütige Augenbraue und sagte: »Ich bitte um Entschuldigung. Ich vergaß. Sie sind aus London, wirklich eine gefährliche Stadt. Vielleicht haben Sie doch Erfahrung mit Raubüberfällen.«
Nicht damit, ausgeraubt zu werden.
»Nein, Sir.«
Er durchbohrte sie mit seinem Blick, als wäre sie ein seltsames Wesen. »Wenn Sie es sagen.« Er nahm sie noch genauer in Augenschein. »Ich werde es Ihnen dieses eine Mal nachsehen, aber wenn Sie in Zukunft wieder einmal das Opfer eines Banditen sein sollten, wehren Sie sich nicht. Und was in Ihrem Fall noch wichtiger ist – halten Sie sich mit Unverschämtheiten zurück.«
»Wollen Sie mir damit sagen, dass ich mein Damentäschchen jedem Mann überlassen soll, der danach verlangt?«
»Im Fall eines Diebstahls, ja.«
»Nein.« Es war ihr egal, dass sein Ratschlag vernünftig war oder dass sie selber jedem potenziellen Opfer den gleichen Ratschlag gegeben hätte. »Ich habe hart gearbeitet für das, was ich besitze. Ich werde es nicht so einfach aufgeben.«
»Ihr Eigentum kann ersetzt werden. Ihr Leben nicht.«
»Ihr
Eigentum kann ersetzt werden.« Und er würde auch niemals ausgeraubt werden. Kein Dieb bei wachem Verstand würde sein Glück bei jemand versuchen, der so groß war.
»Mein
Eigentum muss ich mir verdienen.«
»Meine Besitztümer wurden ebenfalls verdient, Miss Prendregast. Obgleich meine Familie hier seit dreihundert Jahren lebt, war ich als der jüngere Sohn nicht erbberechtigt. Mein Vater hat mir mein Militärpatent gekauft, aber ich habe mich selbst und meine Familie mit meiner Arbeit ernährt. Jetzt gehört dies hier alles« – er machte eine ausladende Geste – »natürlich mir, aber ich trauere um meinen Vater und meinen Bruder.«
Sie konnte ihm keine Schuld daran geben, dass er die Vorzüge von etwas genoss, was sie sich kaum vorstellen konnte. Wenigstens sah er ein, dass er ein privilegiertes Leben führte, und er nahm seine Verantwortung ernst. Tatsächlich – sie betrachtete sein verschlossenes Gesicht – ein wenig zu ernst. »Mein Beileid.«
»Meine Töchter sind meine ganze Familie, und sie sind mir sehr kostbar.«
»Ihre Gefühle ehren Sie.« Obwohl sie dort oben so gut wie gar keine Zeichen von Zuneigung wahrgenommen hatte. »Haben Sie viele Probleme mit Dieben in diesem Bezirk?«
»Es ist eine raue Gegend. Banditen haben die Straßen schon unsicher gemacht, bevor die Römer kamen.«
Erneut stieg Ärger in ihr hoch, und sie sagte: »Dann hätten Sie mich nicht allein da draußen lassen sollen.«
Er starrte sie an, als würde sie eine fremde Sprache sprechen – und überhörte majestätisch ihren frechen Einwand. »Ich versichere Ihnen, dass ich sie aufstöbern und vertreiben werde, aber bis dahin bitte ich Sie, sich ausschließlich auf meinem Grund und Boden aufzuhalten, es sei denn, Sie werden von meinen Männern begleitet.« Er umspannte mit seinen Händen die knotigen Enden der Armlehnen seines Stuhls. »Ich äußere diese Bitte aus Gründen Ihrer Sicherheit, aber auch für die meiner Kinder.«
»Verstehe.«
Er starrte sie immer noch so
Weitere Kostenlose Bücher