Die widerspenstige Lady
gerade sagte.“
„Ich habe in Oxford die Klassiker studiert, aber das meiste längst wieder vergessen.“
Das bezweifelte sie. Sir Hugo war ein überaus kluger Mann, der noch dazu ein exzellentes Gedächtnis besaß. So viel hatte sie inzwischen schon feststellen dürfen.
„Sie erinnern sich an alles, wenn Sie nur wollen“, erwiderte sie trocken.
„Vielleicht.“ Er zwinkerte ihr zu. „Gute Nacht.“
Ob er sie noch einmal in sein Bett einladen würde? Doch er schwieg. Sie wandte sich um und ging hinaus.
Hugo sah ihr nach. Eine ebenso elegante wie kluge Frau. Zwei Eigenschaften, die er schon immer bewundert hatte. Es würde ihm schwer fallen, Annabell aufzugeben, wenn ihre Affäre einmal endete.
Was ihn an Elizabeth erinnerte. Sie musste bereits in London eingetroffen sein und wartete bestimmt schon auf Nachricht von ihm. Der Gedanke erfüllte ihn mit Widerwillen. Nachdenklich nahm er wieder auf dem Sessel Platz, schenkte nach und führte das Glas an die Lippen.
Annabell fühlte, dass jemand sie beobachtete. Sie drehte sich um. Hinter ihr hatte Sir Hugo den Salon betreten. Allein sein Anblick erweckte wieder die verwirrendsten Gefühle in ihr.
Die Erinnerung an das gestrige Gespräch mit ihm war ihr ein wenig peinlich. Dennoch freute sie sich, ihn zu sehen. Das gefiel ihr zwar nicht, aber so war es nun einmal.
„Sie haben also von diesem Salon ebenso Besitz ergriffen wie von meiner Bibliothek und den Altertümern in meinem Obstgarten.“ Er kam zu ihr herüber. „Ich bin gespannt, welchen Teil Rosemonts Sie als Nächstes erobern.“
Natürlich musste sie sofort an sein Schlafzimmer denken und errötete verlegen. „Auch Ihnen einen guten Morgen“, erwiderte sie rasch. „Sie sind sehr früh wach heute.“
„Sie übergehen meine Anspielung also.“ Damit kam er ihr noch näher. „Nun gut. Früher oder später werde ich es schon herausfinden. Ich bin ein geduldiger Mensch.“ Spöttisch hob er die Brauen. „Und bevor Sie mich für völlig verdorben halten: Ich schlafe selten länger als heute.“
„Tatsächlich?“, fragte sie betont zweifelnd. „Ich dachte, Sie verbrächten die Nächte beim Spiel und mit der Flasche. Von meinen Brüdern weiß ich, dass solch abendlicher Zeitvertreib selten zu frühem Aufstehen verführt.“
„Leider habe ich gestern weder getrunken noch gespielt – und mich auch nicht mit jemandem auf dem Zimmer vergnügt.“
Diesem Mann gelang es wirklich, jedem Gespräch einen erotischen Unterton zu verleihen. Eigentlich war sie als Witwe ja eine erfahrene Frau und hätte nicht bei jeder zweideutigen Bemerkung erröten dürfen. Doch bedauerlicherweise half ihr dieser Umstand nicht im Geringsten.
„Ist es nicht etwas früh am Morgen für derartige Gespräche, Sir?“
„Wie wahr.“
Ihr fiel erst jetzt auf, wie lässig er gekleidet war. Er trug weder Gehrock noch Krawattentuch. Das Hemd stand ein wenig offen, gab den Blick auf den gebräunten Hals frei. Die hirschledernen Breeches hingegen saßen gleich einer zweiten Haut. Und dann wieder dieser Duft nach Zimt und Muskat … Annabell konnte es wirklich kaum noch ertragen.
„Haben Sie sonst noch etwas auf dem Herzen?“, erkundigte sie sich einigermaßen rüde. Je schneller sie ihn los war, desto besser.
„Wenn Sie mich so fragen, Madam …“
„Falls dies wieder eine Andeutung werden soll, werde ich augenblicklich den Raum verlassen“, entgegnete sie.
„Sie bringen eben meine schlechtesten Seiten zum Vorschein“, erklärte er schulterzuckend.
„Wirklich?“ Sie klang überrascht. „Ich dachte, dies wäre Ihr übliches Benehmen Frauen gegenüber.“
„Nicht bei allen.“ Er bedachte sie mit einem teuflischen Lächeln.
Rasch zog er einen Stuhl zu dem zierlichen Sekretär, an dem Annabell saß. Dann setzte er sich rittlings darauf und verschränkte die Arme auf der Lehne. Das tat auch ihr jüngerer Bruder oft. Überhaupt erinnerte Hugo sie sehr an Dominic.
„Sie haben viel von meinem Bruder.“
„Darf ich das als Kompliment verstehen oder doch eher als Beleidigung?“
„Das hängt davon ab, ob Sie sich lieber als Frauenhelden oder Gentleman sehen, Sir.“
„Ersteres würde ich annehmen.“
„Dann dürfen Sie sich geschmeichelt fühlen.“ Seltsam, seine Antwort betrübte sie. Lebemänner und Abenteurer gehörten nicht zu den Männern, die sie gern näher kennenlernte. Ihr Bruder reichte ihr vollkommen.
„Was lesen Sie denn da?“, fragte er.
„Sie sind schon seltsam. Erst erzählen Sie mir
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