Die widerspenstige Lady
besser sie ihn kennenlernte, desto mehr mochte sie ihn, auch wenn sie sich selbst dafür schalt. Wieder fielen ihr seine schmalen Hüften und kräftigen Beine auf – herrje! Ärgerlich biss sie sich auf die Lippe und wandte den Kopf. Warum konnte sie ihn nicht ansehen, ohne ihn gleich förmlich mit Blicken zu verschlingen? Annabell erkannte sich selbst kaum wieder. Seit er in ihr Leben getreten war, hatte sich alles geändert.
„Fühlen Sie sich unwohl?“, fragte er spöttisch. Offenbar konnte er Gedanken lesen.
„Ja, natürlich“, antwortete sie, während ihr ein Schauer über den Rücken lief.
„Bestimmt“, flüsterte er.
Wie sein Ton verriet, wusste er nur zu genau, dass sie ihm kaum zu widerstehen vermochte. Ein Mann seiner Erfahrung erkannte eben, wann eine Frau kurz davor war, sich endgültig zu ergeben. Und wie man hörte, war die Zahl seiner Eroberungen geradezu legendär.
Mit einem flüchtigen Blick auf ihre erhitzten Wangen und ihre unkonventionelle Kleidung ging er an ihr vorbei. „In diesen Pumphosen sehen Sie ausgesprochen verführerisch aus. Aber das wissen Sie ja zweifellos.“
„Deshalb trage ich sie nicht“, entgegnete sie peinlich berührt. „In einem Kleid kann ich nicht arbeiten.“
„Sie haben das Mosaik freigelegt. Ich bin beeindruckt“, lobte er.
Annabell nickte.
„Offenbar lieben Sie Ihre Arbeit sehr“, sagte er über die Schulter hinweg.
„Ausgesprochen“, gestand sie. „Solche Altertümer gewähren uns einen Blick in die Vergangenheit. Sie verraten, wie die Menschen lebten und manchmal sogar, wie sie dachten und fühlten.“
„Erzählen Sie mir davon.“
„Ist das eine ehrlich gemeinte Frage, Sir?“
Lachend antwortete er: „Daran zweifeln Sie immer wieder. Ich mag ja ein verdorbener Frauenheld sein, bevor ich mich jedoch ganz diesem Vergnügen hingab, studierte ich wirklich in Oxford, wie gestern Abend ja bereits erwähnt. Nur habe ich mich nie ganz meiner Leidenschaft für Geschichte gewidmet, wie Sie es tun.“
„Ich entdecke immer wieder neue Seiten an Ihnen.“
„Auch ich bin eben ein Mensch“, bemerkte er und zuckte die Schultern.
„Anzunehmen.“
Vorsichtig tat sie einen Schritt auf ihn zu, wobei sie allerdings darauf achtete, ihm nicht zu nahe zu kommen. Nach dem intimen Gespräch letzte Nacht wäre sie ihm sonst sofort in die Arme gesunken. Sie sah jetzt so viel mehr in ihm als einen rücksichtslosen Draufgänger.
„Das klingt, als wären Sie darüber gar nicht besonders erfreut, Madam.“
Sie lächelte versonnen. „Manchmal ist es leichter, mit jemandem umzugehen, den man nur oberflächlich kennt.“
„Meinen Sie damit mich?“, wollte er ernst wissen.
Sie nickte. Um abzulenken, deutete sie auf das Mosaik. „Was Sie hier vor sich sehen, war einmal der Fußboden des Speisezimmers. Es hatte keine Heizung und wurde wahrscheinlich nur in den warmen Monaten genutzt. Bestimmt werden wir noch andere Räume entdecken, die mit Bleirohren beheizt wurden, durch die man heißes Wasser leitete. Die Römer waren Meister in derlei Dingen.“
„In manchem waren sie ihrer Zeit weit voraus.“
„Das stimmt“, gab sie ihm recht.
Bei Gesprächen wie diesem fühlte sie sich ihm so nah, dass es ihr beinahe Angst machte. Fast fand sie seinen Verstand noch verführerischer als seinen Körper. Wieder wurde ihr heiß und kalt.
„Sie zittern ja, Madam. Ihre weiten Hosen sind nicht so warm wie ein Kleid mit Unterröcken.“
„Nein, nein. Ich hätte nur einen Umhang mitnehmen sollen.“
Am Morgen war sie eiligst aufgebrochen, um ihrem Gastgeber zu entfliehen. Und nun war er ihr hierher gefolgt. Sie konnte ihm wohl nicht entgehen, ganz gleich, wie sehr sie sich auch bemühte.
Bevor sie sich noch wehren konnte, hatte er das Jackett abgestreift und ihr um die Schultern gelegt. Das Kleidungsstück duftete nach Zimt und Muskat. Ihr wurde schwindelig. Stützend legte er ihr den Arm um die Taille.
„Danke, Sir, es geht schon“, erklärte sie schnell. „Bitte nehmen Sie Ihren Reitrock wieder zurück. Ich brauche ihn nicht.“
Doch er dachte gar nicht daran, sie freizugeben. „Sie behalten mein Jackett, und ich halte Sie weiter im Arm.“
„Bitte, Sir Hugo – Hugo, lassen Sie mich.“
„Was tue ich denn?“, fragte er. „Begehren Sie mich?“
Sie lachte unsicher auf.
Er legte ihr einen Finger unter das Kinn. „Womit amüsiere ich Sie denn derart?“
Zögerlich sah sie zu ihm auf. Dieser sinnliche Mund mit den vollen Lippen, die nur darauf zu
Weitere Kostenlose Bücher