Die widerspenstige Lady
Dank, meine Liebe“, antwortete Annabell. „Aber das wird nicht nötig sein. Ich brauche nur Schlaf. Morgen früh geht es mir bestimmt wieder ausgezeichnet. Wahrscheinlich werde ich das Frühstück auslassen und mich gleich zur Villa begeben. Ich möchte so schnell wie möglich mit meinen Arbeiten dort fertig werden, damit ich Ihnen nicht länger zur Last falle.“
„Sie sind mehr als willkommen, Annabell“, widersprach Lady Fitzsimmon kopfschüttelnd. „Römische Villa hin oder her.“
„Vielen Dank, Juliet. Aber für heute muss ich mich wirklich verabschieden.“
„Oh, Annabell!“, rief nun Susan. „Du überanstrengst dich, Liebes. Morgen bleibst du am besten im Bett und ruhst dich einen Tag lang aus. Die Männer aus dem Dorf werden bestimmt einmal ohne dich zurechtkommen. Das weißt du doch. Ich begleite dich nach oben und sorge außerdem dafür, dass du deinen Tee und das Laudanum bekommst.“ Sie wandte sich Juliet zu. „Wie wunderbar, dass Sie diese Medizin im Haus haben. Annabell besitzt derlei nicht. Normalerweise weigert sie sich strikt, irgendetwas zu nehmen, aber heute sieht sie wirklich furchtbar müde aus. Sie muss eine Nacht durchschlafen, und das Laudanum wird ihr dazu verhelfen.“
Am liebsten hätte Annabell laut geschrien. Was ihr jetzt noch gefehlt hatte, war ihre überbesorgte Freundin. Susan meinte es ja gut, konnte einen jedoch wahrlich in den Wahnsinn treiben.
„Nicht doch, liebste Susan. Bleib du nur hier und unterhalte dich noch ein wenig. Die Herren werden sich auch gleich zu euch gesellen.“
„Oh, nein, ich lasse dich nicht allein hinaufgehen“, widersprach die Gesellschafterin.
„Mach dir bitte keine Sorgen. Mir geht es nicht so schlecht. Eine der Dienerinnen wird mir den Tee und Laudanum bringen, und ich verspreche, es auch wirklich einzunehmen.“
Ungläubig hob Susan die Brauen. „Aber …“
„Schluss jetzt“, schaltete sich nun Elizabeth ein. „Sie hat doch gesagt, dass sie es nehmen wird. Schließlich ist sie eine erwachsene und sehr unabhängige Frau. Lassen Sie Lady Fenwick-Clyde jetzt in Ruhe.“
Erstaunt betrachtete Annabell die siegreiche Rivalin, die wahrscheinlich nicht einmal ahnte, dass es je einen Kampf gegeben hatte. Elizabeth zuckte graziös die runden Alabasterschultern, als fände sie all die Aufregung um nichts und wieder nichts schlicht enervierend.
Auf Susans Wangen zeigten sich rote Flecken. „Oh, ja natürlich, Lady Mainwaring. Ich wollte nur helfen. Nichts weiter.“
Liebevoll legte Annabell der Freundin die Hand auf den Arm. „Das weiß ich doch, Susan. Du bist eben ein sehr mitfühlender Mensch. Dennoch hat Lady Mainwaring recht. Ich kann auf mich selbst aufpassen.“
„Worum geht es?“, erkundigte sich Hugo von der Tür.
„Nichts, was Ihnen Kopfzerbrechen bereiten müsste“, antwortete Annabell schnell. „Ich darf Ihnen eine gute Nacht wünschen, Sir Hugo.“
Sie fühlte, dass er ihr hinterhersah, als sie hinausging. Ihr wurde heiß, und die Kopfschmerzen verschlimmerten sich noch. Wenn sie doch nur schon fertig wäre mit der Ausgrabung! Am liebsten hätte sie sich unverzüglich zu Guy und Felicia geflüchtet. Falls Juliet ihre Zustimmung erteilte, könnte Susan noch auf Rosemont bleiben – unter dem Vorwand, weitere Zeichnungen anzufertigen. Irgendwann würde Mr. Tatterly schon allen Mut zusammennehmen …
Annabell hatte ihr Zimmer erreicht, trat ein und verschloss die Tür. Den Schlüssel ließ sie stecken, damit man nicht mit einem Zweitschlüssel aufsperren konnte. Auch wenn nicht anzunehmen war, dass Hugo ihr in Anwesenheit seiner Verlobten nachstellen würde. Allerdings schienen ihn beizeiten seine Leidenschaften eher zu regieren als die Gebote des Anstands.
Seufzend knöpfte sie das Kleid auf und ließ es zu Boden gleiten. Sie würde es morgen früh weghängen. Bestimmt fühlte sie sich dann auch besser.
Den Schmuck legte sie jedoch nicht gleich ab, sondern ging damit hinüber zum Frisiertisch. Sie nahm auf dem Stuhl davor Platz und betrachtete sich im Spiegel. Ja, sie wirkte tatsächlich müde und erschöpft. Statt die Steine nun abzunehmen, wie sie es eigentlich vorgehabt hatte, musterte Annabell sie eingehend. Die wasserblauen Aquamarine funkelten mit den Diamanten um die Wette. Das Weißgold der Fassung passt sehr gut zu meinem hellen Teint, fand sie. Hugo hatte sie wirklich mit viel Geschick ausgewählt. Man hätte annehmen können, der Schmuck wäre extra für sie angefertigt worden.
Vorsichtig öffnete
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