Die Wiederkehr des gefallenen Engels
,forderte er sich stumm auf. Wo sind sie? Wo können sie sein?
Die Antwort war ernüchternd.
Überall.
Sie konnten überall sein. Ab jetzt würde ihm nur noch der Zufall helfen.
45. – 22.30 Uhr
Als sie ankamen, stand schon eine Schlange vor dem Eingang. Ein Türsteher hatte sich hinter einem dicken Seil postiert, das zwischen zwei Pfosten gespannt war. Alle mussten davor warten. Kalt und sachlich wurden die Leute gemustert, dann wurden im Abstand von mehreren Minuten drei bis vier neue Gäste eingelassen, sodass im Eingangsbereich kein Gedränge stattfand.
Als Lara und Damian an der Reihe waren, lächelte Lara den Türsteher an, aber er lächelte nicht zurück. Die vorgeschriebene Zeit verstrich und sie wurden hineingelassen.
An der Garderobe gab sie ihre neue Jacke und Damian seinen schwarzen Mantel ab, dann folgten sie der Musik. Sie betraten einen hohen Raum, von dem man auf die Tanzfläche hinunterblickte, eine Treppe führte dort hinab. Auf ihrer Ebene umgab das Ganze eine Balustrade, die ringsherum führte. Rechter Hand befand sich die lang gezogene Bar, aber Lara schaute auf die vielen Menschen hinunter, die unten auf der Tanzfläche sich so dicht drängten, dass richtige Bewegungen kaum möglich waren.
Vom Boden bis hinauf zur Decke zogen sich rechteckige weiße Säulen, durch die farbige Lichter nach oben und nach unten liefen. Die Bauart der transparenten Säulen erinnerte Lara irgendwie an die japanischen Papiertüren, die man oft in Filmen sah.
Zu dem stampfenden Beat aktueller Songs wurden Samples alter Lieder aus den Achtzigern eingeblendet. Auf einer Leinwand in ihrem Rücken liefen dazu Videos. Es war voll hier drin, aber es war nicht unangenehm. Um sie herum blieb noch genug Platz, sodass die Leute, die an ihr vorübergingen, sie nicht bedrängten.
Lara sah sich die Menschen an, die sich hier aufhielten. Auffällig war sofort, dass alle, Jungs und Mädchen, sehr gepflegt wirkten und gut angezogen waren. Die Mädchen trugen hochhackige Schuhe, enge Hosen, dazu weiße Blusen. Die Jungs elegante Jeans, moderne Hemden oder Pullis. Sie alle sahen aus, als führten sie ein gutes, vielleicht sogar ein aufregendes Leben.
Lara dachte an Rottenbach, an den ewig gleichen Trott, der das Leben in einem Dorf bestimmte. Sicher, dort fand man mehr Geborgenheit und Sicherheit als in einer Großstadt, trotzdem hatte man ständig das Gefühl, das Leben fände gerade woanders statt. Aber nun war sie in Berlin. Die Nacht war wie ein Versprechen an ihre Jugend und neben ihr stand der aufregendste Mann der Welt. Zufrieden registrierte Lara all die schüchternen Blicke, die die Mädchen Damian zuwarfen, ohne dass dieser es überhaupt zu bemerken schien.
Er ist so schön!
Sie beobachtete, wie er sich ruhig umsah. Auf seinen Lippen schien ein Lächeln zu schweben, während seine langen schwarzen Haare ungezähmt über seine Schultern fielen. Lara spürte ihr Herz klopfen. All die Jahre hatte sie sich als unscheinbare graue Maus gesehen, aber nun erkannte sie, dass diese Zeit vorüber war. Junge Männer betrachteten sie neugierig, lächelten ihr zu, wirkten enttäuscht, wenn sie entdeckten, dass sie nicht allein da war..
Sie fühlte sich schön. Begehrenswert.
Damian beugte sich zu ihr herüber und küsste sie sanft auf die Wange.
»Gefällt es dir hier?«
Sie strahlte ihn an. Ohne ein Wort fasste sie nach seiner Hand und zog ihn mit sich zur Tanzfläche.
Diese Nacht war ihre Nacht.
Und wenn es keine weitere geben würde, dann würde das eben so sein, aber diesen Augenblick mit Damian konnte ihr niemand nehmen.
Selbst Satan nicht.
Der Dämon, der Lara und Damian am frühen Abend entdeckt hatte, trottete noch immer durch die Gegend. Es war jetzt kurz vor Mitternacht. Er fror und so stapfte er lustlos durch die Kälte der Nacht. Als er auf seiner erneuten Runde an dem kleinen Hotel vorbeikam, fiel ihm ein, dass er hier das Pärchen gesehen hatte, auf das die Beschreibung der Flüchtigen passte. Vielleicht sollte er mit dem Besitzer quatschen, zwar war er sich relativ sicher, dass es nicht die beiden Gesuchten waren, aber er wollte keineswegs den Zorn seines neuen Herrn erregen. Er hatte sich gerade entschlossen hineinzugehen, als sein Handy klingelte. Am anderen Ende war ein Dämon, den er seit einiger Zeit kannte, aber nicht besonders mochte. Laute Musik und dann eine Stimme, die gegen den Krach ankämpfte, drangen aus dem Hörer.
»Alter, ich bin’s, Sebastian. Du rätst nicht, wo ich bin und was
Weitere Kostenlose Bücher