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Die Wiederkehr des gefallenen Engels

Die Wiederkehr des gefallenen Engels

Titel: Die Wiederkehr des gefallenen Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wekwerth
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keine Stille, kein Einhalten und Lauschen. Es gab nur den Puls der Großstadt, dessen Hämmern durch die Körper der Engel fuhr und sie in Unruhe versetzte. Lichter, auch wo keine Lichter sein sollten, erhellten die Nacht. Geräusche überall. Wispern, das Summen unzähliger Stimmen, war wie der ferne Donner eines Gewitters, das am Horizont aufzog. Man hörte es kaum, spürte es aber auf der Haut, allgegenwärtig hatte es die respektvolle Stille vor der Schöpfung abgelöst.
    Die Menschen hatten sich ihre eigenen Welten geschaffen. Außerhalb von Gottes Werk, das sie unermüdlich veränderten, sich nutzbar machten. Sie unterwarfen, was sie nicht verstehen konnten. Ohne zu fragen. Ohne die Schönheit des Seins zu achten.
    Gabriel seufzte. Hier in der hereinbrechenden Dunkelheit war der Geist der Schöpfung noch lebendig. Es war ein Entstehen und Vergehen, schon seit undenkbaren Zeiten, und es geschah im natürlichen Rhythmus, dem sich alles fügte.
    Der Engel blickte ins Tal. Licht fiel aus den fernen Häusern in den Schnee. Warme Oasen in der Kälte der Nacht. Er spürte die Menschen, die in diesen Häusern lebten, ihre Sehnsüchte, Ängste und Hoffnungen. Und irgendwo da unten lebte ein besonderes Mädchen. Satans Tochter, Verheißung und Fluch zugleich. Der Weg, den sie erwählte, war der Weg, den alles Leben auf Erde nehmen würde. Sollte sie sich für das Böse, das Erbe ihres Vaters entscheiden, würde Finsternis sich über die Welt legen. Eine Finsternis, die für alle Zeiten herrschen würde. Bis ans Ende des letzten Tages.
    Er selbst hatte Laras Gedächtnis verändert und alle Erinnerungen an die Ereignisse in Berlin tief in ihr verborgen. Aber diese Erinnerung würde nicht für immer in ihr ruhen, jederzeit konnte etwas geschehen, das die unsichtbare Mauer einriss. Dann würde das Wissen um ihre Vergangenheit Laras Geist überfluten, ihn möglicherweise fortspülen.
    Darin bestand die Gefahr, die alle bedrohte. Eine geistig gesunde Lara konnte sich aus freien Stücken für den richtigen Weg entscheiden, zwischen Gut und Böse wählen, und die Hoffnung war groß, dass sie sich für den Weg des Lichts entscheiden würde. Sollte sie aber dem Wahnsinn verfallen, wäre es für Satan ein leichtes Spiel, sie unter seine Kontrolle zu bringen und sie fortan als mächtige Waffe zu nutzen. Nur eine geistig gesunde Lara hatte eine Chance, sich dem Höllenfürsten zu widersetzen, und selbst dann war es eine Aufgabe, die das Äußerste von dem jungen Mädchen verlangen würde.
    Neben Gabriel erschien Danas, ein Engel mit dem weichen Gesicht eines Jünglings, einem Gesicht von strahlender Unschuld und mit Augen so alt wie die Welt.
    »Wir sind da«, stellte Danas schlicht fest.
    »Ja«, antwortete Gabriel. Weitere Engel traten aus der Dunkelheit. Sie stellten sich im Kreis auf und sanken dann auf die Knie. Gabriel betete für sie alle. Lautlos, aber seine Worte erklangen in ihnen, als würde er sie direkt in ihre Ohren flüstern. Schnee bedeckte ihre hellen Häupter, als sie Gott für seine Gnade und für diese Aufgabe dankten. Sie alle fühlten Stolz in sich, dass Gabriel ihnen die Verantwortung übertragen hatte, das Mädchen zu schützen. Und sie würden bis zum Tod für sie kämpfen.
    Gabriel schlug die Augen auf und betrachtete voller Wärme seine Brüder. Er hatte die Signale ihrer Ergebenheit empfangen, sie waren bereit. Obwohl es nun dunkel war, brauchten die Engel kein Licht. Ein jeder erblickte die Aura des anderen als leuchtende Schemen. Verschiedenfarbiges Licht und fließende Formen waren für jeden von ihnen einzigartig. Ihre Gesichter und Körper waren wie ein tanzender Flammenschein, geboren in einer anderen Welt.
    »Ihr alle wisst, welch schwere Aufgabe uns erwartet. Vertraut auf Seine schützende Hand«, ermunterte Gabriel sie. Sie nickten.
    »Werden wir die Dämonen bekämpfen, auf die wir treffen?« Danas Vorfreude auf den Kampf war deutlich zu spüren.
    »Nein«, sagte ihr Anführer. »Wir halten uns verborgen, werden zu Menschen, die ein Leben wie alle anderen führen.«
    »Aber …«
    Gabriel dachte an einen anderen Engel. Arias. Er war genauso ungeduldig gewesen, hatte auf eine Gelegenheit gehofft, sich im Kampf für Gott beweisen zu können. Und er war gestorben, sein Stolz hatte ihn in einen Kampf gezwungen, den er nicht gewinnen konnte.
    Gabriel blickte Danas an und schüttelte sanft den Kopf. »Unsere Aufgabe ist es, Lara zu schützen. Freude auf den Kampf ist Eitelkeit und steht dir nicht

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