Die Wiederkehr des gefallenen Engels
das Kämmen der Haare vergaß. Das markante, gebräunte Gesicht strahlte Gelassenheit aus. Ein Lächeln umspielte den vollen Mund.
Jetzt weiß ich, warum sich Mutter so unsterblich in ihn verliebt hat und warum sein Gehen sie noch heute schmerzt.
Ihr Vater war schlichtweg ein schöner Mann. Ein wenig düster auf seine Art, aber ein Mann, nach dem sich Frauen auf der Straße umdrehten.
»Lass uns ein Stück den Strand entlanggehen«, sagte ihr Vater.
Lara nickte. Sie wunderte sich nicht, es war nur ein Tagtraum. Sie konnte sich gehen lassen. Sie war etwas überrascht, aber … aber auch glücklich, wie niemals zuvor. Sie ging Hand in Hand mit ihrem Vater an einem wunderschönen Meer spazieren. Davon hatte sie ihr Leben lang geträumt.
Eine Weile lang sprachen sie kein Wort, sondern lauschten dem gleichmäßigen Rauschen der Wellen, die zu ihren Füßen ausliefen. Ihr Vater schritt langsam, mit fast schon bedächtigen Schritten neben ihr her. Lara sah, wie sich seine Abdrücke im Sand mit Wasser füllten, sobald er den Fuß für den nächsten Schritt hob. Das Meer wischte seine Spuren fort, als wolle es das Geheimnis, dass er da gewesen war, verbergen.
Lara blickte auf ihre ineinandergelegten Hände. Auf seine kräftige Hand, deren Druck eine Geborgenheit versprach, die sie nie kennengelernt hatte.
»Du bist mein Vater«, flüsterte sie leise. Kaum hörbar.
»Ja.«
Zwei Schritte.
»Liebst du mich nicht? Hast du mich nie geliebt?«
Er blieb stehen. »Ich habe dich immer geliebt. Vom ersten Moment an.«
Tränen stahlen sich in ihre Augen. »Aber du hast mich und Mama verlassen.« Sie sagte es ruhig, aber sie weinte.
»Ja, ich musste es tun.«
»Warum? Sag mir, warum? Ich will es verstehen.«
Er schüttelte sanft den Kopf. »Es ist noch nicht so weit. Ich kann es dir noch nicht sagen, aber bald, bald werden wir über alles sprechen und zusammen sein. Für immer.«
»Wie meinst du das? Für immer? Heißt das, du kehrst zu uns zurück?«
»So viele Fragen …«
Der Druck seiner Hand ließ nach und sein Bild wurde durchscheinend.
»… und so wenig Zeit, sie zu beantworten.«
Er verblasste, löste sich gleich Wolken am Sommerhimmel auf.
»Bald, meine Tochter, sehen wir uns wieder.«
Dann war er verschwunden. Lara starrte wieder auf eine graue verlassene Straße vor ihrem Fenster. Sie schüttelte sich.
Sie bemerkte die salzigen Spuren der Tränen auf ihren Wangen und wusste, dass sie tatsächlich geweint hatte. Am Fenster stehend, verbarg sie ihr Gesicht in den Händen. Neue Tränen füllten ihre Augen, bis Lara nicht mehr die Kraft hatte, sie aufzuhalten. Sie warf sich aufs Bett.
Weinte um sich.
Um ihren Vater.
Um die Zeit, die sie nie mit ihm verbracht hatte.
Damian hatte Danas zu der alten Scheune gebracht, die er manchmal aufsuchte, um zu ruhen oder zu beten. Der Engel lag auf seinen Armen und schlief. Durch Damians Berührung war die Blutung gestillt worden, aber die fürchterliche Wunde schloss sich nicht. Danas war zu schwach, um sich selbst zu heilen, und Damian war sich nicht sicher, ob seine Energie für sie beide reichte. Er wusste, dass Danas den Kampf gegen die Dämonen aufgenommen hatte. Obwohl Damian seine eigenen Gedanken vor den anderen Engeln verbarg, lauschte er doch dem Flüstern ihrer Stimmen und so hatte er erfahren, welch verheerenden Weg Danas eingeschlagen hatte.
Er blickte auf den Engel herab, sah die grauen Linien im Gesicht des Kriegers, das stumpfe Haar und die Haut, die sich über seine Wangen spannte und ihm das Aussehen eines Greises gaben.
Sieh dich an, mein Bruder. Du bist wie eine Blume, die vergeht, wenn ihre Zeit gekommen ist, aber bei dir sollte es so nicht sein. Du hattest das ewige Leben, die Gemeinschaft der Engel war dein. Geborgen in der Hand Gottes. Und nun stirbst du.
Er kniete sich nieder und legte Danas sanft auf der staubigen Erde ab. Als er den Krieger so daliegen sah, kam die Erinnerung an einen anderen Engel, der sein Freund hätte sein können, aber zu seinem Feind wurde und durch seine Hand starb. Arias hatte ebenso vor ihm im Staub gelegen. Blutend. Sterbend.
Damian stand vor Arias und blickte auf ihn herab. Der Engel kniete tödlich verwundet auf dem Boden der alten Fabrikhalle, zu der er Damian geführt hatte. Blut troff aus mehreren Wunden in den Staub hinab. Bald würde es vorbei sein.
Das schwarze Schwert in Damians Hand verschwand und er sank neben Arias zu Boden. Seine Hände legten sich auf die Schultern des Engels,
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