Die Wiederkehr von Sherlock Holmes, Bd. 3
Monogramm: ›E. B‹, Wappen, malerische Adresse. Ich denke, daß unser Freund Hopkins seinem Ruf gerecht wird und uns ein interessanter Morgen bevorsteht. Das Verbrechen hat vor Mitternacht stattgefunden.«
»Wie können Sie das sagen?«
»Nach dem Studium der Fahrpläne und Überlegungen zum Zeitablauf. Die örtliche Polizei mußte geholt werden, die hatte sich mit Scotland Yard in Verbindung zu setzen, Hopkins mußte hinfahren und dann mich rufen. Alles in allem die Arbeit einer ganzen Nacht. Nun, wir haben Chislehurst erreicht, und bald werden unsere Zweifel zerstreut sein.«
Eine Fahrt von einigen Meilen über schmale Landwege brachte uns vor ein Parktor. Ein alter Pförtner öffnete, dessen abgehärmte Züge die Zeichen eines großen Unglücks trugen. Die Anfahrt zwischen zwei Reihen uralter Ulmen führte durch einen edlen Park und endete an einem niedrigen, langgestreckten Haus mit Vorsäulen in der Art von Palladio. Der Mitteltrakt war offensichtlich sehr alt und von Efeu bewachsen, aber die großen Fenster deuteten darauf hin, daß Modernisierungen vorgenommen worden waren, und ein Flügel des Hauses schien ganz neu zu sein. Jugendlich und mit lebhaftem, gespanntem Gesicht trat uns Inspektor Stanley Hopkins aus der offenen Eingangstür entgegen.
»Ich bin sehr froh, daß Sie gekommen sind, Mr. Holmes, und Sie auch, Dr. Watson. Aber wenn ich noch einmal vor der Wahl stünde, würde ich Sie nicht belästigen, denn als die Dame wieder zu sich kam, hat sie einen so klaren Bericht von den Vorgängen zu Protokoll gegeben, daß uns nicht mehr viel zu tun übrigbleibt. Erinnern Sie sich an diese Einbrecherbande aus Lewisham?«
»Was, die drei Randalls?«
»Genau, der Vater und zwei Söhne. Es war ihr Werk. Daran zweifle ich nicht. Vor vierzehn Tagen haben sie in Sydenham ein Ding gedreht, sie wurden gesehen und beschrieben. Ziemlich unver schämt, so bald und nahebei wieder etwas anzustellen. Aber sie waren es, ohne Zweifel. Diesmal allerdings geht es um ihren Hals.«
»Sir Eustace ist also tot?«
»Ja, man hat ihm den Schädel mit seinem eigenen Schürhaken eingeschlagen.«
»Sir Eustace Brackenstall, wie mir der Kutscher sagte.«
»Ebender – einer der reichsten Männer in Kent. Lady Brackenstall befindet sich im Damenzimmer. Die arme Frau! Sie hat Schreckliches erlebt. Als ich sie zuerst sah, schien sie halbtot. Am besten gehen Sie zu ihr und hören ihren Bericht über das, was vorgefallen ist. Dann können wir gemeinsam das Speisezimmer untersuchen.«
Lady Brackenstall war keine gewöhnliche Person. Selten habe ich eine so anmutige Gestalt gesehen, so weiblich in der Ausstrahlung, ein so schönes Gesicht. Sie war blond, hatte blaue Augen, und sicherlich hätte ihr Gesicht den blühenden Teint gezeigt, den man bei solchen Frauen anzutreffen pflegt, wäre sie nicht vom Erlebnis der letzten Nacht mitgenommen und blaß gewesen. Sie hatte nicht nur seelisch, sondern auch körperlich gelitten; über einem Auge erhob sich eine scheußliche pflaumenblaue Schwellung, die ihre Zofe, eine große, herbe Frau, unverdrossen mit Essigwasser kühlte. Die Dame lag erschöpft auf einer Couch, aber der hurtige, beobachtende Blick, mit dem sie uns empfing, und der lebhafte Ausdruck ihres schönen Gesichts machten deutlich, daß das schreckliche Erlebnis weder ihren Geist noch ihren Mut erschüttert hatte. Sie war in einen losefallenden Morgenmantel von blauer und silberner Farbe gehüllt, aber neben der Couch hing ein schwarzes, mit Ziermünzen besetztes Abendkleid.
»Ich habe Ihnen alles, was geschehen ist, erzählt, Mr. Hopkins«, sagte sie müde. »Könnten Sie es nicht an meiner Statt wiederholen? Gut, wenn Sie es für nötig halten, werde ich den Gentlemen sagen, was sich zugetragen hat. Sind sie schon im Eßzimmer gewesen?«
»Ich dachte, es sei besser, wenn sie erst die Geschichte Eurer Ladyschaft hörten.«
»Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die Angelegenheit zum Abschluß bringen könnten. Der Gedanke, daß er noch immer dort liegt, ist schrecklich.«
Sie schauderte und barg für einen Augenblick das Gesicht in den Händen. Dabei fiel das lose Gewand von ihrem Unterarm.
»Sie haben ja noch mehr Wunden, Madam!« stieß Holmes hervor. »Was ist das?«
Zwei Flecken in lebhaftem Rot zeichneten sich auf einem der vollen weißen Arme ab. Hastig zog sie die Ärmel wieder herunter.
»Es ist nichts. Es hat mit dem fürchterlichen Geschehen
Weitere Kostenlose Bücher