Die Wiederkehr von Sherlock Holmes, Bd. 3
der die Frau doch sehr ergeben ist. Nun gut, das ist ein weniger wichtiger Punkt; wenn Sie erst einmal Randall haben, wird es wohl keine Schwierigkeiten geben, seine Komplizen festzunehmen. Der Bericht der Lady scheint Ihre Version zu bestätigen, wenn Bestätigung, nach all den Einzelheiten, die wir hier sehen, überhaupt noch nötig sein sollte.« Er trat zu dem französischen Fenster und öffnete es. »Hier sehe ich keine Spuren, aber der Boden ist ja auch eisenhart gefroren, so daß man nichts erwarten kann. Die Kerzen dort auf dem Kaminsims waren angezündet.«
»Das stimmt. Bei ihrem Licht und dem des Nachttischleuchters der Lady haben sich die Einbrecher im Zimmer orientiert.«
»Und was haben sie mitgenommen?«
»Nun, nicht sehr viel – nur ein halbes Dutzend Teile vom silbernen Tafelgeschirr aus der Anrichte. Lady Brackenstall nimmt an, selbst sie seien durch den Tod von Sir Eustace so verstört gewesen, daß sie das Haus nicht plündern konnten, was sie sonst sicherlich getan hätten.«
»Das wird wohl wahr sein. Und doch haben sie, wenn ich mich recht erinnere, Wein getrunken.«
»Um die Nerven zu beruhigen.«
»Genau. Ich nehme an, niemand hat die drei Gläser auf der Anrichte angerührt.«
»So ist es. Und auch die Flasche steht noch da, wie die Einbrecher sie haben stehenlassen.«
»Wir wollen mal einen Blick darauf werfen. Hallo, was ist denn das?«
Die drei Gläser standen zusammen. In allen war noch die Farbe des Weins, und in einem hatte sich etwas Weinstein abgesetzt. Die Flasche stand dabei, zu zwei Dritteln voll, und neben ihr lag ein langer, tief gefärbter Korken. An ihm wie auch am Staub auf der Flasche ließ sich erkennen, daß es kein gewöhnlicher Jahrgang war, den die Mörder genossen hatten.
Über Holmes war eine Veränderung gekommen. Sein Gesicht hatte die Gleichgültigkeit verloren, und wieder gewahrte ich, wie in seinen tiefliegenden Augen ein Funke von Interesse aufglomm. Er nahm den Kork und betrachtete ihn gründlich.
»Wie haben sie die Flasche geöffnet?« fragte er.
Hopkins deutete auf eine halb aufgezogene Schublade, in der einige Tafeltücher und ein großer Korkenzieher lagen.
»Hat Lady Brackenstall gesagt, daß dieser Korkenzieher benutzt worden ist?«
»Nein. Sie erinnern sich wohl, daß sie besinnungslos war, als die Flasche geöffnet wurde.«
»Ganz recht. Es ist eine Tatsache, daß man diesen Korkenzieher nicht benutzt hat. Die Flasche wurde mit einem Korkenzieher geöffnet, der wahrscheinlich zu einem Taschenmesser gehört und nicht länger ist als anderthalb Inch. Wenn Sie das obere Ende des Korkens betrachten, werden Sie feststellen, daß der Korkenzieher dreimal hineingebohrt worden ist, ehe man die Flasche aufbekam. Der Korken wurde nicht durchbohrt. Mit dem großen Korkenzieher wäre das aber passiert, und die Flasche wäre beim ersten Mal schon offen gewesen. Wenn Sie den Kerl fangen, werden Sie sehen, daß er ein Mehrzwecktaschenmesser besitzt.«
»Ausgezeichnet!« sagte Hopkins.
»Aber diese Gläser irritieren mich, das muß ich gestehen. Hat Lady Brackenstall wirklich beobachtet, wie die drei Männer tranken?«
»Ja, in diesem Punkt war sie sehr bestimmt.«
»Das wäre dann alles. Was soll man noch sagen? Und doch müssen Sie zugeben, Hopkins, daß die drei Gläser sehr bemerkenswert sind. Wie, Sie können nichts Bemerkenswertes an ihnen feststellen? Gut, gut, vergessen wir es. Vielleicht sucht einer wie ich, der über besondere Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, eine komplizierte Erklärung, wo eine einfachere sich anbietet. Das mit den Gläsern wird gewiß reiner Zufall sein. Also dann, guten Morgen, Hopkins. Ich glaube nicht, daß ich Ihnen noch irgendwie nützlich sein könnte, und wie es aussieht, haben Sie den Fall fest im Griff. Benachrichtigen Sie mich, wenn Randall verhaftet ist, und geben Sie mir über alle weiteren Entwicklungen Bescheid, die sich möglicherweise ergeben. Ich bin sicher, ich werde Ihnen schon bald zum erfolgreichen Abschluß gratulieren können. Kommen Sie, Watson, ich habe den Eindruck, daß wir uns zu Hause mit mehr Gewinn beschäftigen können.«
Während der Rückreise las ich in Holmes’ Gesicht, daß ihn etwas, das er beobachtet hatte, sehr verwirrt haben mußte. Dann und wann gelang es ihm mit Mühe, diesen Eindruck zu zerstören und so zu sprechen, als sei die Angelegenheit klar; doch dann packten ihn wieder die Zweifel, und
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