Die Wiederkehr von Sherlock Holmes, Bd. 3
abreißen, aus Angst, daß er dadurch einen Alarm auslösen würde. Was tat er? Er kletterte auf den Kaminsims, bekam aber die Befestigungsstelle nicht zu fassen, setzte das Knie auf die Konsole – Sie werden noch den Abdruck im Staub erkennen –, zückte sein Messer, um die Schnur durchzuschneiden. Ich konnte nicht ganz heranreichen, verfehlte den Schnurrest um drei Inch, woraus ich schließe, daß der Mann mindestens drei Inch größer sein muß als ich. Sehen Sie einmal den Fleck dort auf dem Sitz des Eichensessels! Was ist das?«
»Blut.«
»Ohne Zweifel ist es Blut. Das allein widerlegt die Geschichte der Lady. Wenn sie in dem Sessel gesessen hat, als das Verbrechen geschah, wieso kommt der Blutfleck dahin? Nein, nein, man hat sie in den Sessel gesetzt, als ihr Mann schon tot war. Ich möchte wetten, daß ihr schwarzes Kleid einen entsprechenden Fleck aufweist. Wir haben nicht unser Waterloo erlebt, Watson, sondern unser Marengo, wo die Schlacht mit einer Niederlage begann und mit einem Sieg endete. Ich möchte jetzt ein paar Worte mit der Zofe Theresa wechseln. Wir müssen erst einmal behutsam zu Werk gehen, wenn wir die Informationen bekommen wollen, die wir benötigen.«
Sie war schon eine interessante Frau, diese
streng blickende australische Bedienstete: schweigsam, mißtrauisch, unfreundlich. Es dauerte einige Zeit, bis es Holmes durch seine angenehme Art und dadurch, daß er sich alles anhörte, was sie sagte, gelang, sie etwas aufzutauen. Sie unternahm keinen Versuch, den Haß auf ihren verstorbenen Herrn zu verbergen.
»Ja, Sir, es stimmt, er hat die Karaffe nach mir geworfen. Ich hatte gehört, wie er meine Herrin mit einem Schimpfnamen belegte, und ich sagte zu ihm, daß er sich nicht trauen würde, so zu sprechen, wenn ihr Bruder da wäre. Da hat er sie nach mir geworfen. Meinetwegen hätte er ein Dutzend Karaffen nach mir werfen können, wenn er nur mein liebes Vögelchen in Ruhe gelassen hätte. Immer hat er sie schlecht behandelt, und sie war zu stolz, sich zu beklagen. Sogar mir will sie nicht sagen, was er ihr alles angetan hat. Sie hat mir auch nicht verraten, woher die Flecken auf ihrem Arm stammen, die Sie heute morgen entdeckt haben, aber ich weiß, er hat sie ihr mit einer Hutnadel beigebracht. Der schlaue Teufel – der Himmel mag mir vergeben, daß ich so von ihm rede, jetzt, wo er tot ist, aber ein Teufel war er, wenn je es einen auf der Erde gegeben hat. Als wir ihm zuerst begegneten, hat er nur Süßholz geraspelt, das ist erst achtzehn Monate her, und uns beiden kommt es vor, als wären achtzehn Jahre vergangen. Sie war gerade erst in London angekommen. Ja, es war ihre erste Reise, sie hatte ihre Heimat noch nie verlassen. Mit seinem Ti tel, seinem Geld, seiner heuchlerischen Londoner Art hat er sie herumgekriegt. Wenn sie einen Fehler gemacht hat, sie mußte dafür bezahlen wie noch nie eine Frau. In welchem Monat wir ihn kennengelernt haben? Nun, kurz nach unserer Ankunft. Im Juni sind wir hier eingetroffen – es war dann im Juli. Im Januar vorigen Jahres haben sie geheiratet. Ja, jetzt ist sie wieder unten im Damenzimmer, und ich zweifle nicht, daß sie Sie empfangen wird, aber Sie dürfen nicht zuviel von ihr verlangen, denn sie hat mehr durchgemacht, als Fleisch und Blut ertragen können.«
Lady Brackenstall ruhte auf derselben Couch, sah aber heiterer aus als am Morgen. Die Zofe war mit uns eingetreten und begann erneut, den Bluterguß über dem Auge ihrer Herrin zu kühlen.
»Ich hoffe«, sagte die Lady, »Sie sind nicht gekommen, um mich noch einmal ins Kreuzverhör zu nehmen.«
»Nein«, entgegnete Holmes in seinem sanftesten Ton. »Ich möchte Ihnen keine unnötige Beunruhigung bereiten, Lady Brackenstall. Mein ganzes Bestreben geht dahin, es Ihnen leicht zu machen, denn ich bin davon überzeugt, daß Sie eine schwergeprüfte Frau sind. Wenn Sie in mir einen Freund sehen und mir vertrauen, werden Sie merken, daß Ihr Vertrauen gerechtfertigt ist.«
»Was soll ich tun?«
»Sagen Sie mir die Wahrheit.«
»Mr. Holmes!«
»Nein, nein, Lady Brackenstall, das ist sinnlos. Vielleicht haben Sie von meinem bescheidenen Ruf gehört. Ich sage es Ihnen auf den Kopf zu, daß Ihre Geschichte völlig erfunden ist.«
Herrin und Zofe starrten Holmes mit bleichem Gesicht und furchtsamen Augen an.
»Sie sind ein unverschämter Kerl!« schrie Theresa. »Soll das heißen, daß meine Herrin Lügen erzählt hat?«
Holmes stand
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