Die Wiederkehr von Sherlock Holmes, Bd. 3
getan. Ich sehe ein, es war vergebens.«
Er klingelte. Der Butler trat ein.
»Ist Mr. Trelawney Hope zu Hause?«
»Viertel vor eins wird er kommen, Sir.«
Holmes sah auf seine Uhr.
»Also in einer Viertelstunde«, sagte er. »Ausgezeichnet. Ich werde warten.«
Der Butler hatte kaum das Zimmer verlassen, als Lady Hilda sich Holmes zu Füßen warf, die Hände ausgestreckt und das schöne Gesicht naß von Tränen.
»Verschonen Sie mich, Mr. Holmes, verschonen Sie mich!« bat sie in äußerster Demut. »Erzählen Sie ihm um Himmels willen nichts! Ich liebe ihn so sehr. Ich möchte nicht, daß der kleinste Schatten auf sein Leben fällt, und das hier würde sein edles Herz brechen.«
Holmes half der Lady auf.
»Ich bin dankbar, Madame, daß Sie sich besonnen haben, wenn auch in letzter Minute. Wir dürfen keinen Augenblick verlieren. Wo ist der Brief?«
Sie stürzte durchs Zimmer zu einem Schreibsekretär, schloß ihn auf und holte ein längliches blaues Kuvert heraus.
»Hier ist er, Mr. Holmes. Hätte der Himmel es doch gefügt, daß ich ihm nie begegnet wäre.«
»Wie können wir ihn zurückgeben?« murmelte Holmes. »Schnell, schnell, wir müssen uns etwas einfallen lassen! Wo ist der Dokumentenkoffer?«
»Noch im Schlafzimmer.«
»Welch glücklicher Umstand! Schnell, Madame, bringen Sie sie her.«
Einen Augenblick später erschien Sie wieder mit einem flachen roten Aktenkoffer.
»Wie haben Sie ihn geöffnet? Besitzen Sie einen zweiten Schlüssel? Ja, natürlich haben Sie einen. Schließen Sie auf.«
Lady Hilda zog einen kleinen Schlüssel aus dem Ausschnitt. Der Aktenkoffer sprang auf. Er war mit Papieren gefüllt. Holmes schob das blaue Kuvert tief hinein, zwischen die Blätter eines anderen Dokuments. Dann drückte er den Koffer zu, verschloß ihn und ließ ihn ins Schlafzimmer zurückbringen.
»Nun sind wir bereit, ihn zu empfangen«, sagte Holmes. »Es bleiben uns noch zehn Minuten. Ich bin sehr weit gegangen, um Sie zu schützen, Lady Hilda. Als Gegengabe werden Sie die verbleibende Zeit nützen, mir die wahre Bedeutung der außergewöhnlichen Affäre zu enthüllen.«
»Ich werde Ihnen alles erzählen, Mr. Holmes«, rief die Lady. »Oh, Mr. Holmes, ich würde mir lieber die rechte Hand abhacken, als ihm auch nur für einen Augenblick Sorge zu bereiten! In ganz London gibt es keine Frau, die ihren Gatten liebt, wie ich den meinen liebe – und doch… Wenn er wüßte, was ich getan habe, wozu man mich gezwungen hat, er würde mir nie vergeben. Denn er hält die eigene Ehre so hoch, daß er einem anderen einen Fehltritt nicht vergessen oder vergeben könnte. Helfen Sie mir, Mr. Holmes! Mein Glück, sein Glück steht auf dem Spiel, unser beider Leben!«
»Schnell, Madame, die Zeit wird knapp!«
»Es ging um einen Brief, Mr. Holmes, einen unbesonnenen Brief, den ich vor meiner Ehe geschrieben hatte – um den dummen Brief eines impulsiven verliebten Mädchens. Es war ein harmloser Brief, und doch hätte er ihn verwerflich gefunden. Wenn er den Brief gelesen hätte, wäre sein Vertrauen für immer geschwunden. Ich habe den Brief vor Jahren geschrieben und glaubte, daß die ganze Angelegenheit vergessen sei. Schließlich aber hörte ich von diesem Mann, von Lucas, daß der Brief in seine Hände gelangt sei und daß er ihn meinem Gatten vorlegen würde. Ich bat ihn um Gnade. Er sagte, er werde mir meinen Brief wiedergeben, wenn ich ihm ein gewisses Dokument aus meines Gatten Dokumentenkoffer, das er mir beschrieb, beschaffte. Er hatte einen Spion im Büro meines Gatten, der ihm von dem Dokument berichtet hatte. Er versicherte mir, daß mein Gatte dadurch keinen Schaden erleiden würde. Versetzen Sie sich in meine Lage, Mr. Holmes! Was hätte ich tun sollen?«
»Ihren Gatten ins Vertrauen ziehen.«
»Das konnte ich nicht, Mr. Holmes, ich konnte es nicht! Auf der einen Seite drohte sicheres Verderben. So schrecklich es mir auch schien, Papiere meines Gatten an mich zu nehmen – ich überblickte die Konsequenzen einer politischen Angelegenheit nicht, aber die einer Liebes- und Vertrauensangelegenheit konnte ich sehr wohl abschätzen. Ich tat es, Mr. Holmes! Ich machte einen Abdruck von seinem Schlüssel, und dieser Mann, Lucas, ließ ein Duplikat anfertigen. Ich öffnete die Dokumententasche, nahm das Papier an mich und brachte es in die Godolphin Street.«
»Was ereignete sich dort, Madame?«
»Ich
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