Die Wiederkehr von Sherlock Holmes, Bd. 3
dieser Abe Slaney, der auf Elrige’s Farm wohnt, wirklich der Mörder ist, und wenn er entkommt, während ich hier sitze, werde ich ernsthafte Schwierigkeiten kriegen.«
»Sie brauchen sich nicht zu beunruhigen. Er wird nicht versuchen zu fliehen.«
»Woher wissen Sie das?«
»Flucht wäre ein Eingeständnis von Schuld.«
»Dann nehmen wir ihn doch fest.«
»Ich erwarte jede Minute sein Eintreffen.«
»Aber warum sollte er kommen?«
»Weil ich ihm geschrieben und ihn darum gebeten habe.«
»Das glaube ich nicht, Mr. Holmes! Wieso sollte er kommen, wenn Sie ihn darum bitten? Würde eine solche Einladung nicht eher seinen Verdacht wecken und ihn zur Flucht treiben?«
»Ich denke, ich wußte, wie ich den Brief zu entwerfen hatte«, sagte Sherlock Holmes. »Wenn mich nicht alles täuscht, kommt der Gentleman gerade höchstpersönlich den Weg herauf.«
Ein Mann schritt über den Gartenpfad zur Haustür. Es war ein großer, gutaussehender dunkelhäutiger Bursche in einem grauen Flanellanzug und mit Panamahut; er hatte einen struppigen schwarzen Bart und eine große, angriffslustig gebogene Nase. Er schwang einen Rohrstock und stolzierte den Pfad entlang, als gehörte das Anwe sen ihm; dann vernahmen wir ein lautes, selbstsicheres Läuten der Glocke.
»Ich denke, meine Herren«, sagte Holmes ruhig, »wir postieren uns am besten hinter der Tür. Wenn man mit solch einem Kerl umgeht, ist jede Vorsicht geboten. Sie werden Ihre Handschellen benötigen, Inspektor. Das Reden können Sie mir überlassen.«
Schweigend warteten wir eine Minute – eine jener Minuten, die man nie vergißt. Die Tür wurde geöffnet, und der Mann trat ein. Im Nu hielt Holmes ihm seine Pistole an den Kopf, und Martin legte ihm die Handschellen an. Das alles geschah so schnell und so geschickt, daß der Bursche hilflos dastand, ehe er überhaupt mitbekommen hatte, daß er angegriffen wurde. Mit blitzenden schwarzen Augen starrte er von einem zum anderen. Dann brach er in bitteres Lachen aus.
»Na, meine Herren, diesmal haben Sie mich zum Verlierer gemacht. Es scheint, ich bin gegen etwas Hartes gelaufen. Aber ich bin auf einen Brief von Mrs. Hilton Cubitt hergekommen. Sagen Sie bloß, sie ist in diese Sache verwickelt! Sagen Sie nur, sie hat Ihnen geholfen, mir die Falle zu stellen!«
»Mrs. Hilton Cubitt ist schwer verletzt und ringt mit dem Tod.«
Der Mann stieß einen heiseren Schmerzensschrei aus, der durch das Haus hallte.
»Sie sind verrückt!« schrie er wütend. »Er ist verletzt, nicht sie. Wer sollte der kleinen Elsie etwas zuleide tun? Ich mag ihr gedroht haben – Gott vergebe mir –, aber ich würde ihr nicht ein Haar auf ihrem schönen Kopf krümmen. Nehmen Sie das zurück! Sagen Sie, daß sie nicht verletzt ist!«
»Man hat sie schwerverwundet neben ihrem toten Mann gefunden.«
Mit einem tiefen Stöhnen sank er aufs Sofa und barg das Gesicht in den gefesselten Händen. Fünf Minuten verharrte er in Schweigen. Dann erhob er das Gesicht und sprach mit der kalten Gefaßtheit der Verzweiflung.
»Ich habe nichts vor Ihnen zu verbergen, meine Herren«, sagte er. »Wenn ich den Mann erschossen habe – na gut, er hat auch auf mich geschossen, und das ist also kein Mord. Aber wenn Sie denken, ich könnte diese Frau verletzt haben, dann kennen Sie weder mich noch sie. Es gibt auf der Welt keinen Mann, der eine Frau so liebt, wie ich sie geliebt habe. Und ich hatte ein Recht dazu. Vor Jahren ist sie mir versprochen worden. Wer war dieser Engländer, daß er zwischen uns treten durfte? Ich versichere Ihnen, ich hatte das erste Recht auf sie, und ich habe nichts getan, als mein Eigentum zu beanspruchen.«
»Sie hat sich Ihrem Einfluß entzogen, als sie Ihr wahres Wesen erkannte«, sagte Holmes streng. »Sie floh aus Amerika, um von Ihnen loszukommen, und heiratete in England einen ehrenhaften Gentleman. Sie setzten sich auf ihre Fährte und stürzten sie ins Elend, um sie dazu zu bewegen, den Gatten, den sie liebte und achtete, zu verlassen und mit Ihnen, den sie fürchtete und haßte, zu fliehen. Sie haben schließlich einen noblen Mann zu Tod gebracht und seine Frau in den Selbstmord getrieben. Das ist Ihr Anteil an der Geschichte, Mr. Abe Slaney, und Sie werden sich dafür vor dem Gesetz zu verantworten haben.«
»Wenn Elsie stirbt, ist es mir gleich, was aus mir wird«, sagte der Amerikaner. Er öffnete eine Hand und blickte auf ein
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