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Die Wiederkehr von Sherlock Holmes, Bd. 3

Die Wiederkehr von Sherlock Holmes, Bd. 3

Titel: Die Wiederkehr von Sherlock Holmes, Bd. 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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beunruhigte.
      »Wenigstens Ihre Gesundheit kann es nicht sein«, sagte er, während er seine scharfen Blicke auf sie abschoß. »Eine so eifrige Radlerin muß voller Energie stecken.«
      Erstaunt blickte sie auf ihre Füße, und mir fiel die leichte Rauheit seitlich an der Sohle auf, die durch die Reibung der Pedalkante entsteht.
      »Ja, ich fahre viel Rad, Mr. Holmes, und das hat etwas mit meinem heutigen Besuch bei Ihnen zu tun.«
      Mein Freund nahm die handschuhlose Hand der Dame und musterte sie mit so viel Aufmerksamkeit und so wenig Gefühl wie ein Wissenschaftler, der ein Präparat ansieht.
      »Sie werden mir sicherlich vergeben. Das macht der Beruf«, sagte er, als er die Hand fallen ließ. »Fast hätte ich den Irrtum begangen, Sie für eine Maschinenschreiberin zu halten. Natürlich ist es offensichtlich, daß Sie mit Musik zu tun haben. Sehen Sie die löffelförmigen Fingerkuppen, Watson, die für beide Berufe charakteristisch sind? Aber in dem Gesicht liegt eine Geistigkeit«, – er wandte sie sanft dem Licht zu –, »die Schreibmaschinenarbeit nicht hervorbringt. Diese Dame ist eine Musikerin.«
      »Ja, Mr. Holmes, ich lehre Musik.«
      »Auf dem Lande, nehme ich an, wegen Ihres Teints.«
      »Ja, Sir, in der Nähe von Farnham, an der Grenze zu Surrey.«
      »Eine herrliche Gegend, und für mich voll der interessantesten Erinnerungen. Sie wissen doch, Watson, daß wir dortherum Archie Stamford, den Fälscher, geschnappt haben. Nun, Miss Violet, was ist Ihnen in der Nähe von Farnham, an der Grenze zu Surrey, zugestoßen?«
      Die junge Dame gab sehr klar und ruhig den folgenden Bericht: »Mein Vater ist tot, Mr. Holmes. Es war James Smith, der Dirigent des Orchesters im alten Imperial Theatre. Meine Mutter und ich sind ohne Verwandte zurückgeblieben, abgesehen von einem Onkel, Ralph Smith, der vor fünfundzwanzig Jahren nach Afrika gegangen ist und von dem wir seither nicht ein Wort gehört haben. Als Vater starb, waren wir sehr arm, aber eines Tages sagte man uns, daß eine Annonce in der ›Times‹ gestanden hätte, mit der nach unserem Aufenthalt geforscht wurde. Sie können sich vorstellen, wie aufgeregt wir waren, denn wir dachten, jemand habe uns ein Vermögen hinterlassen. Wir suchten sofort den Rechtsanwalt auf, dessen Name in der Zeitung angegeben war. Dort trafen wir auf zwei Herren, Mr. Carruthers und Mr. Woodley, die sich auf einem Heimaturlaub von Südafrika befanden. Sie sagten, mein Onkel sei ihr Freund gewesen und vor einigen Monaten in Johannesburg in Armut gestorben. Mit dem letzten Atemzug habe er ihnen aufgetragen, seine Verwandten ausfindig zu machen und sich zu vergewissern, ob sie zu leben hätten. Wir konnten uns nicht vorstellen, daß Onkel Ralph, der keine Notiz von uns genommen hatte, solange er lebte, so fürsorglich gewesen sein sollte, sich über seinen Tod hinaus um uns zu kümmern; aber Mr. Carruthers erklärte als Grund dafür, daß mein Onkel kurz zuvor vom Tod seines Bruders erfahren und sich deshalb für unser Schicksal verantwortlich gefühlt habe.«
      »Entschuldigen Sie«, sagte Holmes, »wann fand die Zusammenkunft statt?«
      »Im Dezember letzten Jahres – vor vier Monaten.«
      »Bitte, fahren Sie fort.«
      »Mr. Woodley machte auf mich einen äußerst widerwärtigen Eindruck. Er warf mir andauernd begehrliche Blicke zu – ein roher, aufgedunsener junger Mann mit einem roten Schnurrbart, und die Haare klebten zu beiden Seiten der Stirn. Ich fand ihn durch und durch abscheulich, und ich war sicher, auch Cyril hätte nicht gewollt, daß ich mit solch einem Menschen bekannt werde.«
      »Oh, Cyril heißt er«, sagte Holmes lächelnd.
      Die junge Dame errötete und lachte.
      »Ja, Mr. Holmes, Cyril Morton, er ist Elektroingenieur, und wir hoffen, Ende des Sommers heiraten zu können. Du lieber Gott, wie bin ich denn auf ihn gekommen! Was ich sagen wollte, ist, daß Mr. Woodley mir sehr zuwider war, daß mir aber der viel ältere Mr. Carruthers annehmbar erschien. Er ist dunkelhaarig, bleich, glattrasiert, schweigsam; er hat höfliche Manieren und ein angenehmes Lächeln. Er erkundigte sich, wie wir gestellt seien, und als er erfuhr, daß wir arm sind, schlug er vor, ich sollte seiner zehnjährigen Tochter, seinem einzigen Kind, Musikunterricht erteilen. Ich wandte ein, daß ich meine Mutter nicht allein lassen wolle, und er bot mir an, ich könnte jedes Wochenende zu ihr nach Hause fahren. Er wollte mir hundert

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