Die Wiederkehr von Sherlock Holmes, Bd. 3
bestand, einen Alarm auszulösen, an Ort und Stelle zerschmettert wurde. Die Sache scheint in höchstem Grade nichtig, und doch möchte ich nicht so leicht etwas unerheblich nennen, wenn ich bedenke, daß einige meiner klassischen Fälle einen wenigversprechenden Anfang hatten. Sie werden sich erinnern, Watson, wie die schreckliche Geschichte mit der Familie Abernetty erst meine Aufmerksamkeit erregte, weil die Petersilie an einem heißen Tag so tief in die Butter eingesunken war. Ich kann es mir deshalb nicht erlauben, über Ihre drei zerbrochenen Büsten zu lächeln, Lestrade, und ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mich über jede neue Entwicklung in einer so einmaligen Kette von Ereignissen informierten.«
Die Entwicklung, nach der mein Freund verlangte, kam schneller und in unendlich tragischerer Form, als er es sich hätte vorstellen können. Am nächsten Morgen war ich noch beschäftigt, mich in meinem Schlafzimmer anzukleiden, als es an der Tür klopfte und Holmes eintrat, ein Telegramm in der Hand. Er las laut:
»Kommen Sie sofort, Pitt Street 131, Kensington. Lestrade.«
»Was mag das bedeuten?« fragte ich.
»Ich weiß es nicht – kann sein, alles Mögliche. Aber ich argwöhne, es handelt sich um die Fortsetzung der Geschichte mit den Statuen. In diesem Fall hätte unser Bilderzerstörer seine Operationen in einem anderen Viertel von London begonnen. Auf dem Tisch steht Kaffee, Watson, und vor der Tür ein Kutsche.«
Eine halbe Stunde später erreichten wir die Pitt Street, eine stille kleine Seitengasse, ein ruhiger Flußarm gleich neben einem der bewegtesten Ströme des Londoner Lebens. Nummer 131 war ein Haus in einer Reihe schmalbrüstiger, respektabler und äußerst unromantischer Gebäude. Als wir vorfuhren, fanden wir die Gitter vor dem Haus von einer neugierigen Menge umlagert.
Holmes pfiff. »Heiliger Strohsack! Das muß mindestens ein Mord sein. Etwas Geringeres hält den Londoner Botenjungen nicht auf. An den hochgezogenen Schultern und dem gereckten Hals dieses Burschen hier kann man eine Gewalttat ablesen. Aber was ist denn das, Watson? Die oberste Stufe ist ganz naß, und die anderen sind trocken. Fußspuren gibt’s genug. Aber nur Geduld, da ist Lestrade am Fenster, bald werden wir Bescheid wissen.«
Der Beamte empfing uns mit sehr ernstem Gesicht und führte uns ins Wohnzimmer, wo ein außergewöhnlich struppiger und aufgeregter älterer Mann in einem Morgenrock aus Flanell auf und ab ging. Er wurde uns vorgestellt als der Eigentümer des Hauses – Mr. Horace Harker vom Central Press Syndicate.
»Wieder die Napoleonbüste«, sagte Lestrade. »Sie schienen gestern abend interessiert, Mr. Holmes, und da dachte ich, Sie wären vielleicht froh, dabeisein zu können, jetzt, da die Sache eine sehr viel ernstere Wendung genommen hat.«
»Wohin hat sie sich denn gewendet?«
»Zum Mord. Mr. Harker, würden Sie diesen Gentlemen genau erzählen, was sich ereignet hat?«
Der Mann im Morgenmantel wandte sich uns mit sehr trübsinnigem Gesicht zu.
»Das ist außergewöhnlich«, sagte er, »daß ich nach einem Leben, in dem ich immer nur anderer Leute Neuigkeiten gesammelt habe, nun, wo mir selber etwas wirklich Neues über den Weg läuft, mich so verwirrt und so belästigt fühle, daß ich keine zwei Wörter zusammenbringe. Wenn ich als Journalist hergekommen wäre, hätte ich mich interviewt, und in jeder Abendzeitung stünden zwei Spalten von mir. Jetzt verschenke ich wertvolle Informationen, indem ich meine Geschichte immer wieder den verschiedensten Leuten erzähle, und kann selber keinen Gebrauch von ihr machen. Wie dem auch sei, ich habe Ihren Namen gehört, Mr. Sherlock Holmes, und wenn Sie die seltsame Angelegenheit erklären können, werde ich mich für die Mühsal bezahlt halten, auch Ihnen die Geschichte erzählt zu haben.«
Holmes setzte sich und lauschte.
»Alles scheint sich um die Napoleonbüste zu drehen, die ich vor vier Monaten für das Zimmer hier gekauft habe. Ich habe sie billig erstanden, bei Harding Brothers, zwei Häuser entfernt von der High Street-Station. Einen großen Teil meiner journalistischen Arbeit erledige ich nachts, und oft schreibe ich bis in den frühen Morgen. So war es auch heute. Ich saß in meiner Grotte, die in der obersten Etage nach hintenhinaus liegt, als ich gegen drei Uhr davon überzeugt war, ich hätte von unten Geräusche gehört. Ich horchte, aber vernahm nichts mehr, und ich
Weitere Kostenlose Bücher