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Die Wiederkehr

Die Wiederkehr

Titel: Die Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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leise. »Der Bischof ist
nicht begeistert, aber Graf von Salm hat nichts dagegen, und er wagt
es nicht, ihm offen Widerstand zu leisten.
    »Mein Va…« Er brach ab und warf einen hastigen Blick nach
rechts und links, um sich davon zu überzeugen, dass auch niemand
seine Worte gehört hatte. »Breiteneck ist auch hier«, setzte er neu an.
»Obwohl der Graf uns hier erwartet?«, wunderte sich Abu Dun.
    Der Leutnant hob die Schultern. »Graf von Salm und Breiteneck
sind keine Feinde, wenn Ihr das meint.«
»Aber auch keine Freunde«, vermutete Abu Dun.
»Sie gehen sich aus dem Weg«, antwortete der Leutnant ausweichend.
Andrej spürte, wie unangenehm dem jungen Mann das Gespräch
war. »Warum hat von Salm uns ausgerechnet hierher bestellt?«,
wollte er wissen.
»Nicht nur Euch«, antwortete der Leutnant. »Auch wenn er es sich
nicht hat anmerken lassen, so hat ihn doch das, was Ihr ihm über das
Treffen zwischen Soliman und diesem Fremden erzählt habt, zutiefst
beunruhigt. Er hat die besten Männer zusammenrufen lassen, die er
noch hat. Viele sind es nicht mehr.«
»Um was zu tun?«, fragte Andrej erschrocken.
Der Leutnant druckste einen Moment herum. »Ich darf nicht darüber reden«, sagte er unbehaglich. »Breiteneck sagt, ich kann Euch
trauen. Deshalb sage ich es Euch, wenn Ihr darauf besteht. Aber es
wäre mir lieber…«
»… wenn ich Euch nicht zwingen würde, gegen von Salms Befehl
zu verstoßen«, führte Andrej den Satz zu Ende. Er nickte. »Sicher.«
Der Leutnant bedankte sich mit einem erleichterten Blick und beschleunigte unwillkürlich seine Schritte. Abu Dun hingegen verlangsamte sein Tempo und trat zugleich näher an Andrej heran. »Seit
wann bist du so zart besaitet?«, fragte er auf arabisch.
Andrej zuckte gleichmütig mit den Schultern. »Vielleicht will ich
mich nur gut mit Breiteneck stellen«, sagte er. »Außerdem ist es
nicht besonders schwer zu erraten, was von Salm vorhat. Dieser
Narr!«
Abu Dun wollte etwas erwidern, doch Andrej brachte ihn mit einem
raschen Blick zum Schweigen. Sie hatten die Treppe erreicht. Abu
Duns breiten Schultern und seiner Ehrfurcht gebietenden Gestalt,
deren Wirkung durch seine vollkommen schwarze Kleidung noch
unterstrichen wurde, war es zu verdanken, dass sie überhaupt noch
von der Stelle kamen. So weit es in dem heillosen Gedränge, das auf
der Treppe herrschte, überhaupt möglich war, versuchten die Menschen ihnen auszuweichen - aber Andrej argwöhnte auch, dass es
nicht allein an Abu Duns Größe lag.
Vermutlich gab es in ganz Wien niemanden mehr, der noch nicht
von dem schwarzen Hünen aus dem Morgenland gehört hatte. Aber
Wien wurde von Männern wie ihm belagert, und es gab wohl keinen
hier, der nicht schon einen Familienangehörigen oder Freund an die
Türken verloren hatte, und so erwarteten weder Abu Dun noch Andrej, dass die Menschen sie mit offenen Armen empfingen. Außerdem
hatte von Salm ihnen von den Gerüchten berichtet, die in der Stadt
kursierten.
Sie hatten die Tür fast erreicht, als Andrej mit einem Mann zusammenstieß, der ihn in seiner Eile offensichtlich übersehen hatte. Andrej murmelte eine Entschuldigung und wollte weitergehen, doch der
Mann ergriff mit einer barschen Bewegung seinen Arm und riss ihn
herum; offensichtlich entschlossen, einen Streit vom Zaun zu brechen. Die Stimmung unter den Bewohnern der Stadt war gereizt, seit
sie in Wien angekommen waren, und die seit mehr als zwei Wochen
anhaltende Belagerung hatte sie nicht besser werden lassen. Schlägereien, Kämpfe und Messerstechereien unter den Männern waren an
der Tagesordnung, und gerade Abu Dun und er waren zur bevorzugten Zielscheibe der Aggression geworden, die sich mehr und mehr in
den Männern aufgestaut hatte.
Ruhig drehte sich Andrej zu dem Mann um, um die Situation zu bereinigen. Was er in den Augen des Mannes las, war nicht das, was er
erwartet hatte.
Die aufgestaute Wut in seinen Augen, die einfach nur ein Opfer
suchte, machte Überraschung und jähem Erschrecken Platz. Doch
das Erschrecken, das in seinen Blick Einzug hielt, war nicht das eines
Raufbolds, der ein wenig zu spät begriff, dass er sich mit dem Falschen angelegt hatte. Was er in den Augen des Mannes las, war das
blanke Entsetzen. Nein. Es war schlimmer als Todesangst. Es war die
Angst eines Menschen, der um seine Seele fürchtete.
Der Mann starrte ihn noch eine Sekunde lang aus weit aufgerissenen Augen an, dann fuhr er herum und rannte davon, als wäre der

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