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Die Wiederkehr

Die Wiederkehr

Titel: Die Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Teufel hinter ihm her.
Abu Dun sah ihn gleichermaßen fragend wie verwirrt an, aber Andrej konnte nur hilflos mit den Schultern zucken. Der Mann kam aus
der Kirche, die im Moment als Lazarett diente, und hatte vielleicht
Schmerzen, möglicherweise Fieber. Vielleicht hatte er ihn auch ganz
einfach verwechselt. Trotzdem war Andrej beunruhigt, als sie weitergingen.
Der Dom war überfüllt. Ein hundertstimmiges Stöhnen und Wehklagen hing in der Luft. Es stank nach Blut und Tod, und manchmal
ertönte ein gellender Schrei. Die Plätze der Betenden auf den Bänken
hatten Verwundete und Sterbende eingenommen, und nur zu viele
reglose Körper waren mit weißen Tüchern abgedeckt. Irgendwo
weinte ein Mann.
»Bei Allah«, murmelte Abu Dun. »Wir müssen das beenden, Andrej!«
Andrej nickte, aber er hörte die Worte gar nicht. Was er in den Augen des Mannes auf der Treppe gelesen hatte, das spürte er auch in
diesem Raum. Abu Dun und er waren nie willkommen gewesen in
dieser Stadt, aber nun hassten die Menschen sie. »Irgendetwas
stimmt hier nicht«, murmelte er.
»Ich weiß«, antwortete Abu Dun. Dann hob er den Arm und deutete
nach links. »Da ist von Salm.«
Andrejs Blick folgte seiner Bewegung. In dem allgemeinen Gewühl
konnte er den Grafen nicht sofort ausmachen, aber einen Moment
später blitzte ein schütterer weißer Haarschopf zwischen den Köpfen
auf. Andrej bedeutete Abu Dun mit einer stummen Kopfbewegung
vorauszugehen und den Weg für sie zu bahnen, was sich aber als
nicht notwendig erwies. Sie hatten kaum zwei Schritte getan, als ein
gutes Dutzend Soldaten auftauchte und sie in die Mitte nahm, um sie
zu von Salm zu bringen.
Der Graf war in ein von heftigem Gestikulieren begleitetes Gespräch mit einem Mann in einem schlichten schwarzen Priestergewand vertieft. Selbst Andrej konnte durch die tosende Geräuschkulisse des Doms nicht hören, worum es ging.
Andrej erstarrte mitten in der Bewegung, und auch Abu Dun fuhr
heftig zusammen und legte instinktiv die Hand auf den Schwertgriff,
hatte sich dann aber sofort wieder in der Gewalt. Auch Andrej ging
weiter und versuchte, möglichst unbeteiligt auszusehen. Er sah sich
aufmerksam aus den Augenwinkeln um.
»Er ist hier«, flüsterte er.
»Ich weiß«, antwortete Abu Dun ebenso leise. »Aber ich kann nicht
feststellen, wo.«
Andrej erging es nicht besser. Frederics Präsenz war so deutlich
wie ein übler Geruch, der die Luft verpestete. Er war nahe, so nahe,
dass Andrej meinte, nur die Hand ausstrecken zu müssen, um ihn
berühren zu können. Als sie von Salm und den Geistlichen erreichten, blieb er stehen, drehte sich wie beiläufig einmal im Kreis und
ließ seinen Blick dabei über die Menge schweifen. Da war kein
Mann in einem grauen Mantel. Und im nächsten Moment war seine
Präsenz auch wieder erloschen, wie eine Kerzenflamme, die kurz
aufgeleuchtet und dann vom Wind wieder ausgeblasen worden war.
»Andrej?« Von Salms Stimme drang wie von weither in seine Gedanken. Er fuhr erschrocken zusammen und drehte sich mit einer viel
zu hastigen Bewegung wieder um.
Die Verwirrung in von Salms Augen wurde zu leiser Beunruhigung. »Ist alles in Ordnung mit Euch?«
»Sicher«, beteuerte Andrej rasch. Hatte er sich so wenig in der Gewalt? »Ich war… nur ein wenig verwirrt.« Er machte eine weit ausholende Handbewegung. »Das hier habe ich nicht erwartet.«
Von Salms Blicke machten deutlich, was er von dieser Antwort
hielt. Aber er beließ es dabei und sagte sogar: »Es sind schlimme
Zeiten.«
»Um sie zu beenden, sind wir hier«, sagte Andrej. Er nickte dem
Geistlichen beiläufig zu, bekam aber nur einen eisigen Blick zurück.
Jetzt erkannte er den Mann: Es war derselbe Geistliche, den er eine
Woche zuvor in den Katakomben getroffen hatte.
Irgendwo hinter ihnen entstand Unruhe. Von Salm zog die Augenbrauen zusammen und sah an ihm vorbei, und auch Andrej drehte
sich abermals um. Ein grauhaariger Mann in zerfetzter Kleidung, der
einen blutgetränkten Verband um die linke Hand trug, versuchte sich
in seine Richtung vorzuarbeiten. Andrej erkannte ihn erst wieder, als
er seine Stimme hörte: »Das ist er! Der, von dem ich erzählt habe.«
Es war einer der Gäste aus dem Goldenen Eber. Rücksichtslos
drängte er sich weiter vor, wobei er aufgeregt mit der gesunden Hand
in Andrejs Richtung gestikulierte.
»Wer ist das?«, fragte von Salm.
Andrej hob die Schultern und überlegte, was er antworten sollte,
doch der verletzte Soldat kam ihm zuvor.

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