Die Wiederkehr
ihn bald ergreifen.«
»Lüge!«, rief der Geistliche mit schriller Stimme. Zornig fuhr er
herum, deutete aber weiter anklagend auf Andrej und zugleich auch
auf Abu Dun. »Das ist ein Bote des Teufels! Seit er in der Stadt
ist…«
»Das reicht, Eminenz«, unterbrach ihn von Salm in schneidendem
Ton. »Bei allem Respekt vor dem Gewand, das Ihr tragt, aber jetzt ist
nicht der Moment für einen theologischen Disput!«
»Was erdreistet Ihr Euch?«, keuchte der Geistliche. »Dies ist meine
Kirche, und…«
»Ach?«, sagte Abu Dun. »Und ich war der Meinung, es sei das
Haus Gottes.«
Alle Farbe wich aus dem Gesicht des Gottesmannes. Ein paar Atemzüge lang rang er sichtlich um seine Fassung. Dann flammten
seine Augen in purem Hass auf. Er begann am ganzen Leib zu zittern. »Wage es nie wieder, den Namen des Herrn in den Mund zu
nehmen, Heide!«, keuchte er. »Dein barbarischer Gott hat in diesen
Mauern keine Macht.«
»So?«, machte Abu Dun mit gespielter Verwirrung. »Das ist seltsam. Ich dachte bisher, es wäre derselbe Gott.«
»Gotteslästerung!«, keuchte der Geistliche. Immer heftiger zitternd
fuhr er wieder zu von Salm herum. »Graf! Ich verlange, dass Ihr diesen Heiden und seinen teuflischen Gehilfen auf der Stelle in Ketten
legt und sie der heiligen Inquisition übergebt.«
»Ich fürchte, das kann ich nicht tun, Eminenz«, seufzte von Salm.
Er warf Abu Dun einen Blick zu, in dem allenfalls noch eine Spur
von müdem Vorwurf schwang.
»Ihr wollt…«, keuchte der Geistliche, wurde aber sofort in ruhigem
Tonfall unterbrochen: »Was ich will, Eminenz, steht leider nicht
mehr zur Debatte. Wenn kein Wunder geschieht, wird nichts, was
irgendeiner von uns will oder nicht will, noch irgendeine Rolle spielen. Dieser Heide, dessen Gegenwart Euch solches Unbehagen zu
bereiten scheint, wird mit größerem Recht hier sein als Ihr. Wie würde es Euch gefallen, dieses Gotteshaus in eine Moschee umgewandelt zu sehen? Falls Soliman es nicht niederreißen lässt, was mir allerdings wahrscheinlicher erscheint.«
»Seid Ihr so blind, oder haben diese Teufel schon Eure Sinne verwirrt?«, keuchte der Geistliche. »Die Heiden belagern unsere Stadt.
Das Blut von Christen wird vergossen, und in den Katakomben treiben Dämonen und Teufel ihr Unwesen - und das alles nahm seinen
Anfang, als diese beiden Fremden bei uns aufgetaucht sind!«
»Die mir das Leben gerettet haben. Und etlichen meiner Männer
auch«, sagte von Salm. Aber natürlich fegte der Geistliche seinen
Einwand mit einer zornigen Bewegung zur Seite.
»Der Teufel ist dafür bekannt, gern im Gewand des Heiligen zu erscheinen«, gab er zu bedenken.
Von Salm schüttelte den Kopf. Ohne auch nur noch mit einem weiteren Wort auf die Argumente des Geistlichen einzugehen, wandte er
sich dem jungen Leutnant zu. »Ist alles vorbereitet?«, fragte er.
»Die Männer warten nur auf Euren Befehl«, antwortete der Leutnant. Unsicher sah er zu Andrej und Abu Dun und schien noch etwas
sagen zu wollen, beließ es dann aber bei einem Achselzucken und
einem weiteren fahrigen Blick ins Gesicht des Geistlichen.
»Dann sollten wir keine weitere Zeit mehr verlieren«, sagte von
Salm. »Wenn auch Ihr bereit seid, Andrej?«
Wie üblich ignorierte er Abu Dun so geflissentlich, als wäre der
zwei Meter große Koloss unsichtbar. Andrej nickte nur.
»Bereit? Bereit wozu?«, fragte der Geistliche. »Dies hier ist das
Haus Gottes! Ich erlaube nicht…«
»Genug«, donnerte von Salm. »Für so einen Unsinn haben wir keine Zeit! Wien befindet sich im Krieg, Eminenz! Das Leben jedes
einzelnen Menschen in dieser Stadt steht auf dem Spiel, und ich habe
mich verpflichtet, das Leben jedes einzelnen dieser Menschen zu
verteidigen. Ich werde diese Verpflichtung erfüllen. Ganz gleich, um
welchen Preis.«
»Auch um den Eurer Seele?«, beharrte der Geistliche.
»Was ist schon eine Seele, wenn es um die Errettung so vieler
geht?«, fragte von Salm müde. »Wenn das alles hier vorbei ist und
ich dann noch am Leben sein sollte, bin ich gern bereit, die Konsequenzen zu tragen. Und sollte Gott in seiner Weisheit entscheiden,
mich vorher zu sich zu rufen, werde ich mich seinem Urteil klaglos
beugen.« Seine Stimme wurde eine Spur schärfer. »Doch so lange
ich am Leben bin und noch ein einziger Tropfen Blut in meinen Adern fließt, werde ich um Wien kämpfen! Und wenn ich mich mit
dem Teufel selbst verbünden müsste, um die Stadt zu retten!«
»Vielleicht habt Ihr das ja schon getan, Graf«,
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