Die Wiederkehr
sagte der Geistliche.
»Und vielleicht ist es eine Stadt, die um diesen Preis gerettet werden
muss, gar nicht wert, dem Untergang zu entgehen.« Das waren seine
letzten Worte. Er fuhr auf dem Absatz herum, bedachte Andrej und
Abu Dun noch einmal mit einem verächtlichen Blick und verließ die
Kammer durch die rückwärtige Tür.
Von Salm sah ihm kopfschüttelnd nach. Er wirkte nicht wütend,
aber sehr besorgt. »Und auch das hätte nicht passieren dürfen«, sagte
er leise, wandte sich dann aber wieder an Andrej. »Dann sollten wir
wirklich nicht noch mehr kostbare Zeit verlieren. Die Männer stehen
bereit, Andrej. Mit ein wenig Glück ist der ganze Spuk morgen früh
vorbei.«
»Das hat wenig mit Glück zu tun, Graf«, erwiderte Andrej. »Ich bitte Euch noch einmal inständig - überdenkt Euren Entschluss noch
einmal! Lasst Abu Dun und mich allein gehen! Nichts von dem, was
hundert Männer erreichen können, können wir nicht auch allein
schaffen. Ihr setzt das Leben Eurer Soldaten umsonst aufs Spiel!«
Er las in von Salms Augen, dass der Graf so gut wie er wusste, wie
Recht er mit diesen Worten hatte. Die Männer würden ihnen keine
Hilfe sein. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie die Soldaten in den sicheren Tod führten, war zu groß. Aber er las auch die Antwort auf
seine Bitte in von Salms Augen.
»Also gut«, seufzte er schließlich. »Wo warten Eure Soldaten auf
uns?«
Von Salm deutete auf die Tür, durch die der Geistliche verschwunden war. »Unten in der Krypta«, antwortete er. »Bis dahin begleite
ich Euch.« Er griff unter sein Gewand und zog ein eng zusammengerolltes Pergament hervor. Gleichzeitig trat er näher und senkte die
Stimme so weit, dass nur noch Andrej und Abu Dun die Worte verstehen konnten. »Auf dieser Karte sind alle geheimen Wege aus der
Stadt verzeichnet. Vielleicht wird sie Euch nützlich sein.« Und
kommt nicht wieder, fügte sein Blick hinzu.
Andrej steckte die Karte ein, ohne auch nur einen Blick darauf geworfen zu haben.
Sie verließen die Kammer durch die Tür, auf die von Salm gedeutet
hatte, und folgten einem kurzen, von Fackeln erhellten Korridor. Von
Salm und zwei seiner Soldaten bildeten die Spitze, während die übrigen ihnen in geringem Abstand folgten. Zweifellos waren sie nur
hier, um das Leben ihres Herrn zu beschützen, aber Andrej wurde
dennoch das unbehagliche Gefühl nicht los, ein Gefangener zu sein.
Diese Männer waren bestenfalls eine Eskorte, die sicherstellen sollte,
dass Abu Dun und er nicht mehr zurückkommen würden.
Der Gang endete an einer kurzen Treppe, die von Salm ohne das
geringste Zögern hinabzusteigen begann. Während sie ihm folgten,
blieb der Leutnant wie zufällig ein Stück zurück, sodass er nun unmittelbar neben Andrej ging. »Ihr werdet nicht zurückkommen, habe
ich Recht?«, raunte er.
Andrej warf einen Blick auf die Schwerter der beiden Soldaten, die
vor ihnen gingen und von Salm flankierten. Er schwieg, aber sein
Begleiter hatte seinen Blick bemerkt und wohl auch richtig gedeutet.
»Macht Euch keine Sorgen«, flüsterte er. »Mein Vater wartet unten
auf Euch. Er wird Euch sicher aus der Stadt bringen.«
Breiteneck war dort unten? Andrej war nicht einmal besonders überrascht. Er hielt den Medicus, der sich zwar alle Mühe gab, unnahbar zu sein, schon lange nicht mehr für ihren Feind - aber eines war
Breiteneck ganz gewiss nicht: uneigennützig. Warum sollte Breiteneck plötzlich das Risiko eingehen, ihnen zu helfen und sich damit
von Salms Zorn zuziehen?
Sie hatten mittlerweile das Ende der Treppe erreicht, und vor ihnen
lag ein weiterer, deutlich schmuckloserer Gang, der nach einigen
Schritten vor einer niedrigen, offen stehenden Tür endete. Von Salm
blieb so abrupt stehen, dass auch Andrej unwillkürlich zusammenfuhr und erschrocken die Hand auf den Schwertgriff senkte.
Der Graf machte eine befehlende Geste, und der Soldat zu seiner
Rechten zog sein Schwert und eilte mit fast lautlosen Schritten voraus, um nur einen Augenblick später durch die Tür zu verschwinden.
Auch der zweite Soldat zog seine Waffe, rührte sich aber nicht von
der Stelle, sondern blieb neben dem Grafen stehen.
»Was habt Ihr?«, fragte Andrej.
Ohne sich zu ihm umzudrehen oder auch nur den Blick von der offenen Tür zu nehmen, deutete von Salm nach vorne. »Es ist zu still«,
erklärte er. »Dort sollten fünfundzwanzig Männer auf uns warten.
Aber ich höre nichts.«
Auch Andrej lauschte. Er spürte nichts Verdächtiges. Weder
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