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Die Wiederkehr

Die Wiederkehr

Titel: Die Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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geachtet hatte, aber er wusste, dass es
Hatschek und von Salm waren, die lautstark miteinander stritten. Der
Dompropst war in Begleitung einer ganzen Schar weiterer Männer
erschienen, von denen längst nicht alle das schlichte Schwarz der
Kirche trugen.
    Andrej interessierte es nicht mehr. Es war vorbei. Sie waren hierher
gekommen, um mit Breiteneck zu sprechen und vielleicht das Rätsel
ihrer Herkunft zu lösen, aber Breiteneck war tot, und Soliman würde
diese Stadt erobern.
    Es klopfte. Andrej sah nicht einmal auf, aber Abu Dun ging zur Tür
und öffnete. Breitenecks Sohn trat ein. Sein Gesicht war zu einer
ausdruckslosen Maske erstarrt, in der sich kein Muskel gerührt zu
haben schien, seit sie die Katakomben unter dem Stephansdom verlassen hatten. Nur in seinen Augen war ein Ausdruck von dumpfem
Schmerz zu erkennen, den Andrej schon zu oft gesehen hatte, um
nicht zu wissen, dass er nie wieder ganz erlöschen würde.
    »Ich soll Euch ausrichten, dass Ihr Euch bereitmachen sollt«, sagte
er leise. Selbst seine Stimme klang nicht mehr wie die eines lebenden
Menschen.
    Andrej suchte vergeblich nach etwas, das er sagen konnte, um ihn
zu trösten, und schließlich fragte Abu Dun nach einer langen, unbehaglichen Pause und einem noch unbehaglicheren Räuspern: »Bereitmachen? Wozu?«
    »Zur Abreise. Ich habe Befehl, Euch aus der Stadt zu bringen. Noch
in dieser Stunde.«
»Aus der Stadt?«, wiederholte Abu Dun stirnrunzelnd, als wäre er
nicht ganz sicher, ob er von Salms Adjutanten auch wirklich richtig
verstanden hatte.
»Das waren seine Worte«, bestätigte der Leutnant. Abu Dun machte ein verdutztes Gesicht, und der Leutnant fügte nach einer winzigen
Pause und in verändertem Tonfall hinzu: »Ihr könnt ihm trauen. Er
meint es ehrlich, glaube ich.«
»Einer von Euch, der etwas ehrlich meint«, sagte Abu Dun spöttisch. »Ihr stellt mein Vertrauen auf eine harte Probe, Leutnant.«
Andrej musste sich beherrschen, um Abu Dun nicht anzufahren.
Begriff er denn nicht, wie es in diesem armen Jungen aussehen musste? Er schenkte dem Nubier einen verärgerten Blick und wandte sich
in versöhnlichem Ton an den Leutnant. »Mein Freund meint es nicht
so«, sagte er. »Es ist nur so, dass es uns nicht leicht fällt, dem Grafen
noch zu vertrauen.«
»Und das zu Recht«, antwortete der Leutnant. »Die Männer, die
Euch hinunter in die Katakomben begleiten sollten, hatten den Auftrag, Euch und Euren Begleiter zu töten, sobald ihr den Vampyr unschädlich gemacht habt.«
Das überraschte Andrej nicht. Er war allenfalls verwundert, wie
unumwunden dieses Geständnis erfolgte.
»Aber nun könnt Ihr ihm trauen«, fuhr der Leutnant fort. »Ich kenne Graf von Salm seit Jahren. Ich weiß, wann er die Wahrheit sagt
und wann nicht.«
»Seid Ihr denn sicher, dass er es selber weiß?«, fragte Andrej.
»Es geht nicht um Euch«, beharrte der Leutnant. »Der Graf weiß, in
welchem Verhältnis mein Vater zu Euch gestanden hat. Er glaubt, es
ihm schuldig zu sein.«
»Euer Vater und von Salm waren Freunde?«, staunte Andrej.
»Früher einmal«, antwortete der junge Mann. Andrej sah ihm an,
dass er nicht bereit war, weiter darüber zu sprechen, weil es den
Schmerz in ihm nur noch mehr aufwühlte, aber Abu Dun fragte:
»Und Ihr?«
Diesmal verging eine Weile, bis die Antwort kam. Ein bitteres Lächeln huschte über seine Lippen. »Der Graf und ich? Nein, wir sind
gewiss keine Freunde. Männer wie ich schließen keine Freundschaft
mit Männern wie ihm. Aber ich weiß, dass er im Grunde seines Herzens ein aufrechter Mann ist, dem seine Ehre über alles geht.«
»Ein aufrechter Mann«, wiederholte Andrej in sonderbarem Ton.
Trotz allem, was sie bisher mit Niklas von Salm erlebt hatten, spürte
er, dass das in einem gewissen Sinne sogar der Wahrheit entsprach.
»So wie Euer Vater.«
Der Schmerz in den Augen des Leutnants wurde größer. Andrej bedauerte es bereits, die Worte überhaupt ausgesprochen zu haben.
Abu Dun bewies deutlich weniger Taktgefühl als er. »Euer Vater«,
sagte er. »Hat er mit Euch über uns gesprochen?«
»Über Euch?«
»Wisst Ihr, wer wir sind?«, fragte Abu Dun geradeheraus. » Was wir
sind?«
»Ja«, antwortete der Leutnant. Wieder änderte sich etwas in seinem
Blick, und diesmal vermochte Andrej diese Veränderung nicht zu
deuten.
Abu Dun blieb unerbittlich. »Dann müsst Ihr uns hassen«, sagte er.
»Euch hassen?« Der Leutnant schüttelte müde den Kopf. »Nein«,
sagte er. »Ich hasse

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