Die Wiederkehr
Euch nicht. Was würde das ändern? Hass hat
noch niemals etwas bewirkt.«
»Dann könnt Ihr…«, begann Abu Dun, aber diesmal unterbrach ihn
der Leutnant sofort und mit einem heftigen Kopfschütteln. »Ich kann
Euch keine der Fragen beantworten, die Ihr meinem Vater wahrscheinlich stellen wolltet. Ich weiß nichts über Wesen wie Euch.«
»Euer Vater hat Euch nichts über uns erzählt?«, fragte Abu Dun
zweifelnd.
»Nur, dass es Euch gibt«, antwortete der Leutnant. »Ich habe ihn
oft genug gefragt, aber niemals Antworten bekommen. Er wollte
nicht, dass es mir so ergeht wie ihm. Das hat er immer gesagt. Die
Dinge, mit denen er sich befasst hat, haben ihm nicht nur mächtige
Feinde eingebracht, sondern sein Leben zerstört. Und am Ende haben
sie es ihn sogar gekostet.«
»Das tut mir aufrichtig Leid«, sagte Andrej. »Ich wünschte, ich
könnte etwas für Euch tun.«
»Das könnt Ihr«, antwortete der Leutnant. »Beeilt Euch und geht.
Und kommt nie wieder.« Er ging so schnell, dass es einer Flucht
gleichkam, und warf die Tür hinter sich ins Schloss.
Abu Dun machte eine Bewegung, als wolle er ihm nacheilen, aber
Andrej hielt ihn mit einem raschen Kopfschütteln zurück. »Lass
ihn«, bat er. »Er hat genug gelitten.«
»Dein großes Herz wird noch einmal dein Untergang sein«, prophezeite Abu Dun, machte aber trotzdem gehorsam kehrt und versuchte nicht, dem jungen Mann zu folgen. Abu Dun liebte es, nach
außen hin eine Rolle zu spielen, die seiner Furcht einflößenden Erscheinung entsprach, aber tief innen war er nicht annähernd so hart,
wie er sich gerne gab.
Auch Andrej erhob sich von seinem Lager und begann ebenso
wortlos wie rasch, die beiden Satteltaschen zu packen, die seine bescheidene Habe enthielten. Für einen Mann seines Alters besaß er so
gut wie nichts, was aber weniger daran lag, dass Abu Dun und er
schlecht wirtschafteten, als vielmehr an der schmerzhaften Erfahrung, dass Besitz bestenfalls eine Last war, die nur zu oft zur Gefahr
werden konnte - vor allem für Männer wie sie, deren Leben aus einer
nahezu ununterbrochenen Folge mehr oder weniger verzweifelter
Fluchten bestand.
»Wir hätten von Salms Angebot annehmen sollen«, murrte Abu
Dun.
»Welches?«, fragte Andrej. »Das, die Gastfreundschaft des Dompropstes in Anspruch zu nehmen?«
»Die Goldstücke anzunehmen, Hexenmeister«, antwortete Abu
Dun. »Wir sind fast mittellos. Unser Geld reicht noch für eine Mahlzeit und ein Nachtlager. Für einen von uns.«
»Dann wissen wir ja, was wir tun«, antwortete Andrej. »Ich schlage
mir den Bauch voll und du bleibst wach und achtest darauf, dass mir
niemand ein Haar krümmt.«
Abu Dun machte ein nachdenkliches Gesicht. »Etwas an dieser Idee
missfällt mir. Aber ich komme nicht darauf, was.«
»Du täuschst dich«, versicherte Andrej. »Zerbrich dir nicht den
Kopf. Ich bin der weise Ritter aus dem Morgenland und du der
dumme Mohr.«
»Das hatte ich vergessen«, sagte Abu Dun. Er kratzte sich nachdenklich am Kinn. »Weißt du, was ich mich frage? Können Unsterbliche wie wir eigentlich verhungern?«
»Finden wir es doch heraus«, schlug Andrej vor.
Abu Dun lachte leise und wurde dann übergangslos ernst. »Wir
können ihn damit nicht durchkommen lassen«, sagte er.
»Frederic?«
»Du wirst ihm so nicht entkommen«, mahnte Abu Dun. »Wie lange
willst du vor ihm davonlaufen, Andrej? Noch ein Jahr? Noch hundert? Wie viele Menschen soll er noch töten, bevor du dich ihm
stellst?«
»Seit wann kümmert dich das Schicksal der Sterblichen?«, fragte
Andrej. Er wusste, wie ungerecht das war, aber das war ihm gleich.
Er wollte Abu Dun verletzen, und sei es nur, damit er endlich aufhörte.
»Also gut, ich stelle die Frage anders«, sagte Abu Dun achselzuckend. »Wie viele Unschuldige müssen noch an deiner Stelle sterben,
bis du zugibst, dass du nicht vor ihm davonlaufen kannst?«
»Ich kann mich Frederic nicht stellen«, beteuerte Andrej leise. »Ich
habe es versucht. Du hast gesehen, was dabei herausgekommen ist,
Abu Dun.« Er gab einen Laut von sich, von dem er selbst nicht sagen
konnte, ob es ein Lachen oder ein mühsam unterdrücktes Schluchzen
war. »Ich bin ihm nicht gewachsen, Abu Dun. Niemand ist das. Er
spielt nur mit uns, verstehst du das nicht?«
»Nein«, antwortete Abu Dun. »Das tue ich nicht.«
»Jedes Mal, wenn ich gegen ihn angetreten bin, haben andere den
Preis dafür bezahlt«, sagte Andrej bitter. »Und jedes Mal ist er höher
geworden.«
»Du bist
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