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Die Wiederkehr

Die Wiederkehr

Titel: Die Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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nicht besonders gut darin«, sagte Abu Dun.
»Worin?«
»Den Leidenden zu spielen.« Abu Dun schnalzte verächtlich. »Aber
vielleicht hast du ja Recht. Was geht uns diese Stadt an? Lass sie
brennen.«
Er wandte sich um und fuhr fort, nahezu wahllos Kleider in seine
Satteltaschen zu stopfen, die er sich anschließend mit einer wütenden
Bewegung über die Schulter warf. Die zu den Packtaschen passenden
Pferde waren ihnen schon eine Woche, bevor sie Wien erreichten,
gestohlen worden.
Ohne noch ein weiteres Wort miteinander zu wechseln, verließen
sie das Zimmer und traten auf den Flur hinaus, wo Breitenecks Sohn
auf sie wartete. Er winkte ihnen zu, mit ihm zu kommen, wandte sich
aber nicht nach links, wie Andrej erwartet hatte, sondern in die entgegengesetzte Richtung. Die Tür zu von Salms Zimmer war unbewacht und stand halb offen. Der heftige Streit war verstummt. Hatschek und seine Begleiter waren offensichtlich gegangen. Der Leutnant blieb zurück und machte eine Geste. Sie traten ein.
Wie Andrej erwartet hatte, war von Salm allein. Er saß in einem
hohen Stuhl, den er so dicht an den Kamin herangerückt hatte, wie es
nur ging, starrte aus blicklosen Augen in die Flammen und sah unendlich müde aus; und sehr alt. Das Licht der prasselnden Flammen
spiegelte sich in dem kostbaren Weinglas wider, das er in der linken
Hand trug. Er rührte sich nicht, als sie eintraten, obwohl sich Andrej
keinerlei Mühe gab, leise zu sein.
Erst als Abu Dun die Tür mit einem übertrieben lauten Poltern hinter sich ins Schloss zog, schrak von Salm aus seinem trübsinnigen
Starren hoch und wandte erschrocken den Kopf in ihre Richtung.
Sein Blick schien aus unendlich weiter Ferne zurückzukehren. »Andrej. Abu Dun«, sagte er schließlich. So weit sich Andrej erinnerte,
war es das erste Mal, dass er den Nubier mit seinem Namen ansprach. »Es ist schön, dass Ihr noch einmal gekommen seid.«
Er erhob sich so mühsam aus seinem Stuhl, dass er dabei einige
Tropfen vom Inhalt seines Glases verschüttete, ignorierte aber Andrejs ausgestreckte Hand, als dieser hinzutrat, um ihm zu helfen.
»Ich wollte Euch nicht gehen lassen, ohne mich noch einmal bei
Euch bedankt zu haben.«
»Ich wüsste nicht, wofür«, antwortete Andrej. »Ich fürchte, unsere
Hilfe hat Euch mehr geschadet als genutzt.«
»Immerhin habt Ihr mir das Leben gerettet, auch wenn eine solche
Nebensächlichkeit für einen Mann wie Euch keinen besonderen Stellenwert haben mag«, sagte von Salm mit einem dünnen Lächeln.
»Was gäbe ich dafür, Männer wie Euch unter meinem Kommando zu
haben.«
»Obwohl Ihr wisst, was wir sind?«, fragte Andrej.
Statt direkt zu antworten, hob von Salm das Glas an die Lippen und
trank einen winzigen Schluck; kaum mehr, als nötig war, um seine
Lippen zu befeuchten. Als er endlich sprach, sah er nicht direkt Andrej an, sondern starrte an ihm vorbei in die Flammen. »In wenigen
Tagen wird diese Stadt fallen, Andrej«, sagte er leise. »Ob mit oder
ohne Eure Hilfe. Lasst mich in dem Glauben sterben, dass nicht
zählt, was einer ist, sondern nur, was er tut.«
»Vater Hatschi würde das nicht gerne hören«, spottete Abu Dun.
Von Salm lächelte flüchtig, doch Andrej blieb sehr ernst und sagte:
»Euch ist doch klar, dass der Dompropst Euch einen Strick aus der
Tatsache drehen wird, dass Ihr uns gehen lasst.«
Von Salm machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich bin ein
alter Mann, Andrej. Ich habe so oder so nicht mehr lange zu leben.
Das ist im höchsten Maße unerquicklich, aber es gibt einem auch
eine gewisse Narrenfreiheit. Es gibt nicht mehr allzu viel, was Hatschek mir antun könnte.« Er deutete auf den Tisch. »Der Dompropst
und seine selbstgefälligen Freunde werden bald zurück sein. Es wäre
besser, wenn sie Euch nicht hier anträfen. Dort liegt eine Summe
Geldes, die ich angemessen für das Leben eines Grafen halte. Nehmt
es. In ein paar Tagen hat Geld in dieser Stadt ohnehin keine Bedeutung mehr. Und dann geht. Schnell. Breitenecks Sohn wird Euch auf
einem sicheren Weg aus der Stadt bringen.«
Andrej hatte bereits die Hand nach dem Lederbeutel ausgestreckt,
auf den von Salm deutete, aber nun drehte er sich noch einmal herum
und sah den weißhaarigen Grafen überrascht an. »Breitenecks
Sohn?«
Von Salm lächelte matt. »Habt Ihr schon vergessen, was ich Euch
über diese Stadt erzählt habe? Hier geschieht nicht viel, was ich nicht
weiß.«
»Und der Leutnant…«
»… weiß nicht, dass ich sein

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