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Die Wiederkehr

Die Wiederkehr

Titel: Die Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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für einen Mann, der
uns nur zu gerne auf den Scheiterhaufen bringen würde?«
»Und ihn höchstpersönlich in Brand stecken würde«, bestätigte
Andrej.
»Verdammt, was soll das?«, schnappte der Nubier. »Lass diesen
Dummkopf doch in sein Unglück rennen. Morgen früh sind wir nicht
mehr hier, so oder so.«
Andrej schritt noch rascher aus, um die drei Geistlichen einzuholen,
die trotz der fast vollkommenen Dunkelheit ein erstaunliches Tempo
vorlegten. »Sicher«, sagte er grinsend. »Und du legst anscheinend
Wert darauf, nicht nur von allen Vampyren dieses Landes gejagt zu
werden, sondern auch noch von der gesamten Christenheit.«
Abu Dun stutzte, dann machte sich ein Ausdruck von widerwilliger
Anerkennung auf seinem Gesicht breit. »Nicht schlecht«, sagte er.
»Du kannst wirklich stolz auf deinen Ziehsohn sein, Hexenmeister.
Im Verbergen ist er uns auf jeden Fall überlegen.«
Womit Abu Dun mit Sicherheit Recht hatte. Und trotzdem zeigte
sich nur einen Augenblick später, dass sie Frederic auch diesmal
wieder falsch eingeschätzt hatten.
Sie erreichten die Tür, hinter der die schmale Steintreppe lag, und
Hatschek stieß sie auf und stürmte mit einer Sicherheit hindurch, die
Andrej endgültig bewies, wie oft er diesen Weg schon gegangen war.
Seine beiden Begleiter folgten ihm. Dann blieben alle drei abrupt
stehen. Der Dompropst stieß ein entsetztes Keuchen aus. Andrej
drängte sich vor Abu Dun durch die schmale Tür - und blieb ebenfalls wie vom Donner gerührt stehen.
Die große Halle, in die die Treppe hinunterführte, war von Dutzenden knisternd brennender Fackeln fast taghell erleuchtet, als hätte
jemand Sorge dafür tragen wollen, dass ihnen auch keine noch so
winzige Einzelheit der ebenso grausam wie sorgfältig arrangierten
Szenerie entging.
Die Leichen der Soldaten, die Andrej vorzufinden erwartet hatte,
waren nicht zu sehen. Es gab auch kein Blut oder weitere Spuren von
Kämpfen. Der gewaltige Raum war nahezu leer. Nur ein einziger
Mensch hielt sich dann auf, und auch der war nicht mehr am Leben.
Jedenfalls hoffte Andrej das, als er seinen Schrecken weit genug
überwunden hatte, um noch einmal genauer hinzusehen, und Breiteneck erkannte. Und er erinnerte sich an etwas.
Es war lange her, mehr als ein halbes Jahrhundert, und es waren
Bilder, die er mühsam aus seinem Bewusstsein verdrängt und nie
wieder zu sehen gehofft hatte.
Aber nun wusste er wieder, warum man ihn Vlad, den Pfähler genannt hatte.
    Selbst jetzt, Stunden nach Mitternacht, war es noch nicht merklich
stiller in dem großen Stadthaus geworden. Ununterbrochen hallten
hastige Schritte über die Treppen und die langen Flure entlang, polterte und klirrte es, riefen sich aufgeregte Stimmen Worte zu, die
Andrej sich nicht mehr die Mühe machte, verstehen zu wollen. Mit
Einbruch der Dunkelheit hatte der Ansturm der Türken draußen auf
den Mauern aufgehört, wie an jedem Abend. Aber nun schien es fast,
als hätte sich der Krieg hierher verlagert, in dieses große Haus im
Herzen der Stadt.
    Ein paar Mal hatte Andrej tatsächlich Schreie gehört, dazwischen
das Klirren von Schwertern, das aber auch gleich darauf wieder verstummte. Vielleicht waren nur einige der Männer in Streit geraten.
So angespannt wie die Stimmung unter den Soldaten war, erschien es
Andrej nur noch eine Frage der Zeit, bis es zum Ausbruch offener
Gewalttätigkeiten unter ihnen kam. Frederics Plan ging auf, schneller
und gründlicher, als er gefürchtet hatte. Abu Dun war mit seiner Bemerkung der Wahrheit nur zu nahe gekommen. Andrej hatte sich
längst eingestanden, dass er Frederic abermals hoffnungslos unterschätzt hatte. Er hatte nicht vor, die Stadt mit einer Armee seiner
untoten Kreaturen zu erobern oder die Tore von innen zu stürmen.
Die Waffen, mit denen er kämpfte, waren viel subtiler. Es war die
Angst, mit der er die Herzen der Menschen vergiftete. Und seine Saat
ging bereits auf.
    Bei all der Hektik, die überall rings um sie herum herrschte, erschien es ihm hier in ihrem Zimmer schon fast unnatürlich still. Es
musste eine gute Weile her sein, seit sie zurückgekommen waren,
und Abu Dun und er hatten in all dieser Zeit keine zehn Sätze miteinander gewechselt. Andrej fühlte sich leer. Zum ersten Mal seit
langer Zeit hatte er das Gefühl, den Mut zu verlieren.
    Manchmal drangen Laute schriller Stimmen durch die geschlossene
Tür. Andrej machte sich so wenig die Mühe, auf sie zu lauschen, wie
er auf all die anderen zuvor

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