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Die Wiederkehr

Die Wiederkehr

Titel: Die Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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geraumen Weile, dass sie verfolgt
wurden. Manchmal bewegten sich Schatten am Rande der unregelmäßig zuckenden Insel aus rotem Licht, die die Fackeln der Männer
durch die immer währende Dunkelheit tief unter den Fundamenten
der Stadt trugen. Ab und an glaubte er huschende Schritte zu hören
oder einen sachten Luftzug im Gesicht zu spüren, wie von einer hastigen Bewegung, gerade außerhalb seines Sichtfeldes. Er konnte
nicht mehr sagen, auf wie viele Spuren von Menschen sie schon gestoßen waren. Außerdem auf die zahlloser Ratten, Kakerlaken und
anderen Getiers - einmal war im Licht der blakenden Fackeln sogar
eine Katze aufgetaucht, die aber eher einen verirrten als beutelustigen
Eindruck gemacht hatte - sowie einiger Spinnennetze, deren schiere
Größe allein schon reichte, ihm einen kalten Schauer über den Rücken zu jagen, auch ohne dass er die Erbauer dieser zweifelhaften
Kunstwerke zu Gesicht bekam. Außerdem hatten sie sich hoffnungslos verirrt.
    Wie jedes Mal, wenn er in diesen unterirdischen Teil der Stadt vordrang, hatte er schon nach wenigen Augenblicken jedes Zeitgefühl
verloren und nicht allzu lange danach auch die Orientierung. Die
Karte, die von Salm ihm gegeben hatte, hatte sich als wenig nützlich
erwiesen. Sie mochte stimmen oder auch nicht - das konnte Andrej
nicht beurteilen. Schon nach dem ersten Blick auf den akribisch gezeichneten Plan aus Linien und Strichen hatte er sich eingestanden,
dass er einen möglicherweise banalen, dennoch aber äußerst folgenschweren Fehler gemacht hatte. Vielleicht wäre es klug gewesen, von
Salm um ein einziges zusätzliches Kreuz auf dieser Karte zu bitten,
denn er wusste weder, durch welchen Eingang sie das Labyrinth betreten hatten, noch, an welchem Punkt auf dieser vermaledeiten Karte
sie sich befanden.
    Falls der Teil der Katakomben, in den sie sich tiefer und tiefer hineinbewegten, überhaupt auf dieser Karte verzeichnet war. Nicht einmal mehr dessen war sich Andrej mittlerweile sicher.
    Und seit einer Weile wurden sie verfolgt.
Abu Dun, der ein Stück vorausgegangen war, ließ sich nun unauffällig zurückfallen, bis er mit den gleichen kräftesparenden Schritten,
in die auch die Männer unwillkürlich verfallen waren, neben ihm
hertrottete. Leise und in beiläufigem Ton sagte er: »Du hast sie auch
gehört, nicht wahr?«
»Überall rings um uns herum«, bestätigte Andrej.
»Frederic?«
Genau über diese Frage dachte Andrej nach, seit er die Schritte das
erste Mal gehört hatte. Er spürte nichts. Weder die Präsenz eines anderen Vampyrs noch das faulige Gefühl, das ihn in der Nähe der unheimlichen Kreaturen überkommen hatte, mit denen sich Frederic
umgab. Aber er hatte nicht nur einmal erlebt, wie perfekt Frederic
seine Gegenwart zu verschleiern wusste, und warum sollte das nicht
auch für seine Armee aus lebendigen Toten gelten?
Andrej rief sich in Gedanken zur Ordnung. Er war auf dem besten
Wege, den zweitschlimmsten Fehler zu begehen, der einem Krieger
unterlaufen konnte, und vor dem er selbst Abu Dun immer und immer wieder gewarnt hatte: Einen Gegner zu überschätzen konnte fast
ebenso fatale Folgen haben wie das Gegenteil.
»Haben wir uns verirrt?«, fragte Abu Dun, glücklicherweise so leise, dass keiner der Männer die Frage hören konnte.
Andrej hob lediglich die Schultern. Abu Dun stellte die Frage ohnehin nur, um seine eigene Unruhe zu überspielen; er kannte die
Antwort ebenso gut wie Andrej selbst - und vermutlich wie jeder der
zehn Männer, die sie begleiteten. Der Teil der Katakomben, durch
den sie sich seit einer Weile bewegten, hatte nicht einmal mehr Ähnlichkeit mit den Säulengängen und Stollen, durch die sie die unterirdische Welt betreten hatten. Andrej wusste nicht mehr, wie viele
Treppenstufen sie in die Tiefe gestiegen waren, aber es waren viele
gewesen. Die Gänge, durch die sie mittlerweile gingen, waren trocken, und die Luft stank auch nicht mehr nach Verwesung und Fäkalien. Die Abwasserkanäle, die einen Gutteil des unterirdischen Labyrinths bildeten, mussten inzwischen ein beträchtliches Stück über
ihnen liegen.
Der Mann an der Spitze ging mit einem Male langsamer, blieb
schließlich ganz stehen und schwenkte seine Fackel; die Soldaten
hatten sich angewöhnt, sich auf diese Weise untereinander zu verständigen. Als hätten sie Angst, durch den bloßen Klang ihrer Stimmen etwas zu wecken, das verborgen in der Dunkelheit lauerte, waren ihre Gespräche im gleichen Maße, in dem sie

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