Die Wiederkehr
drei weitere Türen abgingen. Die Männer waren stehen geblieben,
und auch von Salm entspannte sich ein wenig, warf aber zugleich
auch immer wieder kleine, nervöse Blicke in Richtung der Treppe
zurück, über die sie heruntergekommen waren. Einen Moment lang
schwieg er, dann deutete er auf eine der drei Türen und wandte sich
an den Anführer der Soldaten. »Ihr wisst, was Ihr zu tun habt. Viel
Glück!«
Die Männer verschwanden einer nach dem anderen durch die bezeichnete Tür, doch von Salm bedeutete Andrej und Abu Dun mit
einem stummen Blick, noch zu warten. Erst, als sie allein waren,
sagte er: »Habt Ihr die Karte noch, die ich Euch gegeben habe, Andrej?«
»Ja.«
»Dann benutzt sie«, bat von Salm. »Die Männer werden Eurem Befehl gehorchen, aber sie kennen sich in den Katakomben nicht aus.
Ihr seid mir für ihre Leben verantwortlich. Und gebt gut auf sie Acht.
Es sind die besten, die mir noch geblieben sind. Die einzigen, denen
ich noch vertrauen kann.«
»Und wenn Hatschek sie wieder erkennt?«, fragte Andrej.
Von Salm schüttelte den Kopf. »Keiner von ihnen wird zurückkommen«, antwortete er. »Sofern sie diese Nacht überleben, habe ich
sie aus meinen Diensten entlassen.«
»Sofern sie diese Nacht überleben?«, wiederholte Abu Dun. Der
Satz schien ihm nicht zu gefallen.
Von Salm antwortete zwar, aber er tat es an Andrej gerichtet, nicht
an den nubischen Riesen. »Wir haben einen Pakt, Andrej. Was mich
angeht, so gilt er noch immer.«
Andrej überlegte, warum er ausgerechnet dieses Wort gewählt hatte. Er nickte nur.
»Dann ist es gut«, sagte von Salm. »Von hier aus kann ich Euch
nicht weiter begleiten. Ich bin sicher, dass Hatschek bereits einen
Boten zu mir geschickt hat, um mich zu informieren, dass der Teufel
in Wien erschienen ist. Es wäre besser, wenn er einen gebrochenen
Mann vorfindet, der zitternd am Feuer sitzt und sich betrinkt, um
seiner Angst Herr zu werden.«
»Ich möchte Euch nicht zum Feind haben, Graf«, sagte Andrej ruhig.
»Das möchte niemand«, antwortete von Salm ernst. »Jedenfalls
niemand, der mich kennt.«
Abu Dun warf einen fragenden Blick auf die Tür, hinter der die Fackeln der Soldaten Licht spendeten, und Andrej antwortete mit einem
angedeuteten Nicken, wandte sich aber noch einmal an von Salm.
»Noch eine Frage zum Abschied, Graf?«
Das schmale Lächeln, mit dem von Salm antwortete, war undeutbar. Er schwieg.
»Warum tut Ihr das, Graf?«, fragte Andrej.
»Um Wien zu retten«, antwortete von Salm, schüttelte aber gleichzeitig den Kopf, als Andrej etwas sagen wollte. »Und um eine Schuld
zu begleichen.«
»Eine Schuld?«
Wieder verging eine kurze Zeitspanne, bevor von Salm antwortete.
Sein Blick umwölkte sich. »Er war mein Bruder«, sagte er schließlich.
»Wer?«, fragte Abu Dun.
»Breiteneck?«, murmelte Andrej erschrocken. Plötzlich ergab alles
einen Sinn. Tief in sich hatte er es die ganze Zeit über gewusst, weil
es die einzige Antwort war, zu der alle Fragen und alle vermeintlichen Ungereimtheiten passten.
»Unsere Familie war der Meinung, dass es besser wäre, wenn er
seinen Namen ändert, nachdem mehr und mehr bekannt wurde, mit
welcherlei Forschungen er sich beschäftigte. Und ich stimmte zu.
Nur ein weiterer Fehler unter so vielen, die ich gemacht habe. Aber
vielleicht der schlimmste.«
»Der Medicus… Breiteneck…«, murmelte Abu Dun ungläubig,
»war… war Euer Bruder?«
»Und sein Sohn…«, begann Andrej.
»Mein letzter lebender Verwandter«, führte von Salm den Satz zu
Ende. »Unsere Familie wird mit mir aussterben, Andrej. Ihr seht also, ich habe nichts mehr zu verlieren. Vernichtet den Bastard, der
meinen Bruder und meinen Neffen getötet hat. Und wenn Ihr nebenbei noch die Stadt rettet, umso besser.« Er wollte sich abwenden, um
zu gehen, hielt dann aber mitten in der Bewegung noch einmal inne
und griff unter sein Wams. »Das ist etwas, das mein Bruder bei sich
hatte, als er starb«, sagte er. »Ich bin sicher, dass er gewollt hätte,
dass Ihr es bekommt.«
Andrej griff instinktiv zu, als von Salm die Hand ausstreckte, und
der Graf wandte sich ohne ein Wort des Abschieds um und ging.
Andrej blieb noch einige Sekunden lang reglos stehen und blickte auf
den unscheinbaren Gegenstand hinab, den von Salm in seine Handfläche hatte fallen lassen. Es war ein kleines, dickwandiges Glasfläschchen, das eine trübe Flüssigkeit enthielt, die fast aussah wie
schmutziges Wasser.
Andrej spürte schon seit einer
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