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Die Wiederkehr

Die Wiederkehr

Titel: Die Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ich vertrauen kann, und der mir
vertraut.«
»Das kannst du«, antwortete Andrej kühl. »Ich werde dich hier
rausholen. Heute Nacht. Spätestens morgen nach Sonnenaufgang.
Mein Wort darauf.«
Abu Dun würdigte ihn nicht einmal einer Antwort. Andrej hielt seinem Blick noch einen Atemzug lang stand, dann drehte er sich um
und stürmte aus der Zelle. »Bring mich zurück«, verlangte er von
dem Soldaten, der ihn hergebracht hatte. »Und dann geh zu Graf von
Salm und richte ihm aus, dass ich sein Angebot annehme.«
    Auf den ersten Blick schien sich hier unten nichts verändert zu haben. Genau wie am Morgen hatte von Salm ihn zusammen mit der
Leibgarde abgeholt, und sie waren in der Kutsche hierher gefahren.
Auf dem großen Platz vor dem Stephansdom hatte ein ebenso großes
Gedränge geherrscht wie am Vormittag, aber diesmal war ihr Weg in
die Kirche und hinunter in die Krypta ohne Zwischenfälle verlaufen.
Andrej nahm erstaunt zur Kenntnis, dass weniger Männer auf sie
warteten als zuvor. Auch der Geistliche war nicht mehr zu sehen.
    Andrej fühlte sich nicht besonders gut. Zwar schmerzte seine Wunde nicht mehr so sehr wie am Morgen, dafür hatte sie aber nahezu
unerträglich zu jucken begonnen. Er dachte an Abu Dun. Andrej hatte es längst bedauert, noch einmal zu dem Nubier gegangen zu sein
und mit ihm gesprochen zu haben. Ihre Zusammenkunft hatte seine
Zweifel nicht beseitigt, ihnen vielmehr neue Nahrung gegeben. Er wollte Abu Dun glauben und empört über den Verdacht sein, den von
Salm ganz offen geäußert hatte. Aber es gab auch nagende Zweifel,
die schlimmer zu werden schienen, je mehr er versuchte, sie zu unterdrücken.
    Abu Dun war ein Riese von einem Mann. Er war schon ein nahezu
unbesiegbarer Schwertkämpfer gewesen, als er noch ein ganz normaler Mensch gewesen war, und Andrej hatte schon bald, nachdem der
Nubier sich verwandelt hatte, begriffen, dass er diese Stärke und
Konstitution mit hinüber in seine neue, andersartige Existenz genommen hatte. Seine Sinne waren schärfer ausgebildet als die Andrejs. Er war ungleich, stärker, und von Anfang an hatte sich sein
verwandelter Körper leichter damit getan, Verletzungen zu heilen
und verbrauchte Kräfte zu regenerieren.
    Was er sich im Laufe vieler Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, angeeignet hatte, beherrschte Abu Dun nach wenigen Monaten. Oft genug,
wenn sie ihre Kräfte gemessen hatten, war Andrej klar geworden,
wie unendlich überlegen ihm der arabische Riese war. Und doch:
Was er in den letzten Tagen bei der Verteidigung Wiens geleistet und
erlitten hatte, das hatte selbst Andrej in Erstaunen versetzt und tief in
ihm, so tief unter seinen Gedanken verborgen, dass er sich des Verdachts in den ersten Tagen nicht einmal bewusst gewesen war, die
nagenden Zweifel geweckt.
    Abu Dun wäre nicht der Erste, der der Verlockung des Blutes erlag.
Selbst Unsterblichen wie ihnen waren Grenzen gesetzt. Sogar ihre
Kräfte gingen irgendwann zur Neige. Selbst sie kannten das Gefühl,
dem Tod ins Auge zu blicken, einem Feind gegenüberzustehen, dem
sie nicht gewachsen waren, keinen Ausweg mehr zu sehen. Aber es gab einen Ausweg. Es war ein Quell schier unerschöpflicher Kraft,
der immer sprudelte, solange auch nur irgendein lebendes Wesen in
ihrer Nähe war. Der letzte rettende Ausweg. Vielleicht war Abu Dun
ihr erlegen. So groß war der Unterschied zwischen den sterblichen
Menschen und Wesen wie ihnen am Ende gar nicht: Beide wollten
leben.
    »Ihr habt es Euch doch am Ende nicht etwa anders überlegt?«,
drang von Salms Stimme in sein Bewusstsein.
Andrej schrak aus seinen Gedanken hoch und hatte für einen winzigen Moment fast Mühe, von Salms Worten irgendeine Bedeutung
zuzuordnen. Dann wurde ihm klar, dass sie schon seit einer geraumen Zeit hier unten waren, und dass er fast ebenso lange aus blicklosen Augen ins Leere gestarrt hatte. Er schüttelte hastig den Kopf.
»Nein«, sagte er. »Verzeiht. Ich war… in Gedanken.«
»Aber natürlich«, antwortete von Salm großzügig. »Das ist Euer
gutes Recht. Zumal in einem Moment wie diesem.« Er legte eine
winzige Pause ein, während der er Andrej aufmerksam musterte.
»Und Ihr fühlt Euch auch wirklich in der Lage, die Mission zu Ende
zu bringen?«
Andrej fand es befremdlich, dass von Salm den Mordanschlag, den
er als Preis für Abu Duns Leben von ihm verlangte, als Mission bezeichnete. Aber er nickte nur.
Dem weißhaarigen Grafen schien diese Antwort jedoch nicht zu
genügen.

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