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Die wilde Gärtnerin - Roman

Die wilde Gärtnerin - Roman

Titel: Die wilde Gärtnerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena-Verlag <Wien>
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Wachstumsmodell in die Hände. Setzen Sie sich hinter einen Bürosessel, arbeiten sie erneut im Hamsterrad der Finanz. Es ist ein Dilemma, dem Sie sich nicht entziehen können.«
    Möglicherweise zeigen die Auseinandersetzungen mit Berta ihre Wirkungen. Will mit meinen Worten das Eis zwischen dem Mann und mir brechen. Möchte ihm klarmachen, dass es keinen Unterschied macht, ob er bettelt oder arbeitet, und ihm so Last und Kummer von seinen Schultern nehmen. Doch es missglückt fürchterlich.
    »Sie haben scheinbar mein Schreiben nicht gelesen? Bitte.«
    Er schiebt mir den Karton mit seinem Schulaufsatz zu und lächelt mich aufmunternd an. Meine Augen schmerzen vor Trockenheit, die winzige Schrift auf seiner Karte verschwimmt. Nur wenige Worte treten aus dem Buchstabenbrei hervor:
    ESSEN DARF NICHT DER AKKUMULATION VON PROFITEN DIENEN
MÄRKTE VERSCHLEIERN HERRSCHAFTSVERHÄLTNISSE
EINE WELT OHNE HUNGER UND ARMUT IST MÖGLICH
ERNÄHRUNGSSOUVERÄNITÄT IST DAS RECHT VON MENSCHEN, DIE ART UND WEISE
DER PRODUKTION, VERTEILUNG UND KONSUMPTION VON LEBENSMITTELN
SELBST ZU BESTIMMEN
NEIN ZU NAHRUNGSMITTELSPEKULATIONEN!
    Der Bettler will kein Geld, er ist folglich keiner. Erinnere mich, noch nie ein gutes Händchen im Umgang mit Fremden gehabt zu haben. Meine Fehleinschätzung beschämt mich. Stammle eine Entschuldigung und rapple mich hoch. Wanke wie betrunken, weil mein Kreislauf in den Zehen sitzen geblieben ist und sich weigert, Blut nach oben in den Kopf zu pumpen. Meine Umgebung zeigt sich grobkörnig in weißlicher Tönung mit psychedelischen Soundeffekten, die mir weiterhin Stimmen zu Gemeinwohl, Bürgerinnenbeteiligung und Tauschökonomie in die Ohren presst. Waren Bertas Aktionen doch nicht so sinnlos, wie ich ihr vorgeworfen habe? Nehme in einer Nebenstraße eine fahle Taxi-Leuchte wahr. Strecke die Hand aus, der Wagen hält und bringt mich nachhause. Nahrungsmittel und Kleid befinden sich bei mir. Weiß trotzdem nicht, ob der Einkauf als gelungen gelten kann.
    11.7.
    Benno steht vor seinem Hochbeet. Er zupft einzelne welke Blätter von den Ribiselstauden.
    »Wie schaut’s aus mit Abendessen? Spinatcremesuppe, Lammfilets, Kirsch-Clafoutis. Muss ich noch mehr sagen?«
    Er und sein Rauschebart schauen über die linke Schulter zu mir nach hinten. »Wie lautet die Bedingung?«
    »Kochen ab drei bei mir.«
    »Du hörst mich fünf vor an deine Tür klopfen.«
    Lasse ihn bei seinen Beeren und gehe hinauf.
    »Soll ich was kaufen?«, schreit er mir nach.
    »Nein, alles schon in meiner Küche!«, rufe ich, nicht ohne Genugtuung.
    Liege am Sofa und lese. Mein Handy läutet. Was so selten passiert, dass mein Herzschlag kurz aussetzt, bloß um gleich danach in dreifacher Geschwindigkeit Versäumtes nachzuholen. Die Nummer ist unterdrückt.
    »Hallo! Kann ich kurz zu dir kommen?« Es ist Berta. Drücke mich reflexartig flach auf die Liegefläche, damit sie mich nicht von drüben sieht. Obwohl sie vielleicht gar nicht zuhause ist. Komme mir äußerst idiotisch vor und überlege, was mit mir los ist. Warum verstecke ich mich in meiner eigenen Wohnung? Stehe auf, gehe zum Fenster und schaue auf die gegenüberliegende Hausfassade. Sie sitzt auf dem Esstisch, ihre Beine baumeln beschwingt vor und zurück, sie hält ihr Smartphone (scheint mir schon wieder neu) ans Ohr, den Blick auf mich gerichtet. Sie winkt. »Hallo, ich hab lang nichts mehr von mir hören lassen.« Sie schlägt einen versöhnlichen, freundschaftlichen Ton an. Sehr weich. Zu weich.
    »Ich hab heute keine Zeit.«
    »Oh, wie das?«
    »Ich bekomme Gäste.«
    Sie sagt nichts, wartet, erwartet irgendetwas von mir. Was? Warum sucht sie Kontakt mit mir, gerade wenn ich ihr aus dem Weg gehe? »Und morgen? Wie schaut’s da bei dir aus?«
    »Ja, okay, von mir aus. Morgen Abend?«
    »Fein. Ich freu mich.« Sie legt auf. Winkt mir von drüben zu. Ohne Lächeln, aber vergnügt. Scheinbar hat sie bekommen, was sie wollte. Vorerst.
    Gehe in den Garten und ernte Erdäpfel, Spinat, Zucchini mit Blüten, Frühlingszwiebel. Meine Holzleiter lehnt schon am Vogelkirschbaum. Klettere rauf und pflücke einen Korb dunkler, glänzender Früchte.
    Benno klopft wie versprochen überpünktlich an die Tür. Er trägt italienische Ledersandalen, karierte Shorts, ein zweifärbiges T-Shirt. Am Zeigefinger seiner linken Hand baumelt ein Kleiderhaken, an dem ein hellbrauner Sommeranzug und ein weißes Hemd hängen. »Damit wir diesem Abend etwas Form verleihen«, grinst er mit erhobener Augenbraue

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