Die wilde Gärtnerin - Roman
und tritt ein. Von meinem Kleid kann er nichts wissen, aber es passt zu seinem Anzug.
»Bei dem Essen, das ich vorhabe, werden wir eher an Form verlieren, mein Lieber.«
Ihm fällt meine vertrauliche Anrede auf, er kontert sofort: »Meine Liebe, ich hab dir was Feines mitgebracht«, und zieht eine Flasche dunklen Gin, Zitronenlimonade, Prosecco und eine Salatgurke (eindeutig kein Gewächs aus meinem Garten) aus seiner Stoffumhängetasche.
»Mary Poppins hatte kein besseres Fabrikat«, sage ich und folge ihm in die Küche. Er mixt alle Zutaten zusammen, die sich besonders gut in sehr großen Gläsern machen. Abschließend lässt er je zwei Gurkenscheiben hineinfallen. »Auf die Eiswürfel pfeifen wir. Wohl bekomm’s!« Dieses Mixgetränk stellt eine Bereicherung meines alkoholischen Horizonts dar. »
Pimm’s
, das englische Gartengetränk schlechthin«, schließt Benno meine Wissenslücke, »passt auch optisch hervorragend zu grünem Rasen.« Macht aber auch in meiner Küche was her. »Weißt du, ich mag verzehrbare Mitbringsel. Sie setzen keinen Staub an und können zu nützlichen Dingen weiterverarbeitet werden. Zu Körperzellen oder Stoffwechselprodukten beispielsweise.« Zwinkere ihn an, Benno kratzt sich am Bart und geht zielstrebig zum Sofa ins Wohnzimmer. Noch bevor einer von uns beiden eine weitere Meldung loswird, ist mein Glas leer.
»Fertig«, rufe ich, »noch mal, bitte!« Benno geht und kommt mit einem beruhigend gut gefüllten Glas wieder. Frische Gurkenscheiben schwimmen lustig an der Oberfläche der Flüssigkeit. Man sollte Gin nie unterschätzen, tut es aber allzu oft. Lege meinen schweren Kopf auf die Armlehne und strecke mich am Sofa aus. »Tut mir leid, aber das Rasengetränk will in bequemer Lage konsumiert werden. Beim Zweiten lass ich mir mehr Zeit, versprochen. Stören sie dich?« Ich deute auf meine angewinkelten Beine.
»I wo«, sagt er und lässt seine warme Hand auf meine Zehen fallen. Die schmackhafte Gin-Mischung, die Nachmittagsstunde oder Bennos Hand, irgendetwas macht mich fürchterlich schläfrig. Verliere den letzten Funken Anstand und lege meine Füße auf Bennos Oberschenkel. Seine Hand behält er auf meinen Zehen. »Ich sag dir, was wir kochen, damit du weißt, wie viel Arbeit auf dich zukommt.« Bennos blonde Locken, die gemeinsam mit seinem Bart schon länger nicht gestutzt worden sind, fallen ihm über Stirn und Schläfen. Eine leichte Sonnenbräunung arbeitet den Kontrast zu seinen Haaren fein heraus, was ihn noch mehr zum Jünger macht. In einem Jesusfilm könnte er mit Riemchensandalen und weißer Soutane den Lieblingsjünger Johannes spielen. Er trinkt gemächlich und trommelt behutsam auf meine Zehen. Drehe mich zur Seite, schiebe mir einen Polster unter mein Gesicht und genieße die alkoholische Entspannung, die mich ins Sofa drückt. Gebe mit geschlossenen Augen Anweisungen für Gemüse, Fleisch und Milchprodukte von mir. Das Sprechen fällt mir schwer und schwerer.
»Das heißt, du warst draußen?«, fragt er in meine Schläfrigkeit hinein.
»Hmm?«, grunze ich.
»Na Fleisch, Schlagobers, dafür musst du einkaufen gewesen sein.«
Murmle eine Bestätigung.
»Und?«, will er weiter wissen.
»Gewöhnungsbedürftig.« Mehr kann ich dazu nicht sagen.
»Wo warst du?«
Mir wird das Verhör zu anstrengend. Lalle die Unwichtigkeit dieses Themas heraus. Benno versteht mich. »Ich find’s gut, dass du wieder rausgehst. Es macht dich unabhängiger.«
Hebe meinen Kopf, um ein wenig aufzuwachen.
Ich
soll abhängig sein? Wie kommt er darauf?
Er bemerkt mein Stirnrunzeln. »Ich meine, von Toni«, sagt er.
Lasse mich wieder auf den Poster fallen. War noch nie von irgendjemandem abhängig. Außer von Leo. Aber da ich ihn schon so lange überlebt habe, kann die Abhängigkeit nicht allzu schlimm gewesen sein, oder? Diese Überlegung vertreibt die wohlige Stimmung des Sommergetränks. »Lass uns lieber anfangen!« Richte mich auf und gehe in die Küche. Benno folgt mir.
Die Kirschen werden von mir entkernt, der Spinat von Benno versorgt. Er spült die Blätter einzeln ab, legt sie auf ein Holzbrett, hackt den Spinat mit einem scharfen Küchenmesser. Plötzlich rieche ich Benno. Es muss von seinem Nacken aufsteigen, wie bereits vermutet. Lebkuchen, Früchtebrot, Zimtsterne. Ein feiner Hauch, aber eindeutig. Schließe meine Augen, um meinen Geruchssinn zu schärfen. Drehe meine Nase in Bennos Richtung, seinem Nacken entgegen. Schnüffle mich näher an ihn heran. Je näher,
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