Die wilde Gärtnerin - Roman
nicht gelingen. Du wirst lernen.« Damit stand sie auf und machte sich auf den Weg zu ihrer Frauengruppe. Helen blieb im Bett und fühlte sich verlassener denn je.
Zwei Stunden später klopfte es an der Wohnungstür. Helen spähte durch den Spion, sah niemanden, hörte aber vergnügtes Lachen.
»Wenn du nicht gleich aufmachst, werde ich dir beim nächsten Mal eine Überwachungskamera von meinen Eltern mitbringen!«, rief Toni von draußen. Helen riss die Tür auf und quietschte laut auf, dass es im Stiegenhaus widerhallte.
»Was machst du hier?«
»Dich besuchen.«
»Und deine Eltern?«
»Denen hat meine P-sü-ch-iaterin gesagt, dass sie mir mehr Freiraum lassen sollen.«
»Aha«, sagte Helen und zerrte Toni zu sich in die Wohnung. »Und was heißt das?«
»Na, dass ich immer zu dir kommen darf, wann ich will, also wenn du willst.«
Helen packte ihre Freundin und hob sie vor Begeisterung ein kleines Stück hoch. »Dann ziehst du bei mir ein«, meinte sie und ließ Toni wieder auf den Boden zurück. »Komm, ich zeig dir mein Zimmer.« Sie nahm Tonis Hand, zog sie durch das Wohnzimmer und hielt sie noch, als die beiden schon längst auf Helens Bett saßen. »Was ist die letzten Tage passiert? Du warst nicht in der Schule. Ich hab Angst um dich gehabt. Los, erzähl schon.«
Helens Wangen waren rot. Nicht aus Scham, sondern aus purer Aufregung. Aber Toni wippte gelassen auf Helens Federkernmatratze auf und ab. Sie gab ihrer Freundin mit einer Handbewegung zu verstehen, dass übertriebene Reaktionen durchaus nicht angebracht waren. »Also, Onkel Ludwig werde ich so schnell nicht wiedersehen und einmal pro Woche treffe ich mich mit meiner Psüchiaterin. Das ist alles.«
Helen staunte Toni an, die lässig von Dingen sprach, die sie nicht kannte. »Und deine Eltern. Was sagen die dazu?«, trieb sie Toni zu Details an. Die zuckte nur mit den Schultern.
»Eigentlich nichts.« Toni ließ das Wippen sein, stand auf und schaute sich ein bisschen in Helens Zimmer um, wo nicht viel zu sehen war. »Ich glaube, denen ist die Sache peinlich. Die genieren sie sich vor deiner Mutter? Oder vor den Nachbarn? Keine Ahnung.« Sie öffnete eine Kastentür und pfiff anerkennend, weil Helens Kleidung fein säuberlich geordnet war.
»Leda meint, deine Eltern wären traumatisiert und hätten einen Kontrollzwang.« Genaueres konnte Helen mit Ledas Analyse auch nicht anfangen, aber vielleicht half sie Toni weiter, da die nun zu einer Psychiaterin ging.
»Von mir aus«, sagte Toni und ließ ihre Arme unbeteiligt baumeln. »Schau mal, das Wichtigste ist, ich darf mit dir zusammen sein. Du bist, schätze ich, zwar noch immer asozial, aber das trauen sich meine Eltern jetzt nicht mehr sagen. Und das Aller-, Allerwichtigste ist, ich darf offiziell zu
Herstory
und brauch keinen blöden Flötenunterricht mehr.« Sie nickte abschließend, weil ihre Erklärung zu Ende war und ihrer gemeinsamen Zukunft nichts mehr im Weg stand.
+++ Reiche bunkern bis zu 2 Billionen Dollar in Steueroasen +++ Troika findet Finanzloch von 11 Milliarden Euro in Griechenland +++ Ambulanter Alkoholentzug in Wien nicht mehr finanzierbar +++ Ab 2014 keine befristete Invaliditätspension mehr +++ 300 Grazer Neckermann-Mitarbeiter zur Kündigung angemeldet +++ Moody’s rüttelt am EFSF-Rating +++
10.7.
Bin in meiner Arbeitskleidung, will in den Garten. Da überkommt mich die tollkühne Idee, Toni und Benno mit einem Abendessen zu überraschen. Für das ich selbst die Einkäufe erledige. Stecke mir einen Haufen Geld in die Hosentasche, verlasse mein Haus und gehe Richtung 7. Bezirk. Kaufe unterwegs Käse, Lammfilets, Speck, Eier, Butter und was mir sonst in dem kleinen, feinen Greißlerladen bekömmlich erscheint. Erreiche in überraschend guter Stimmung die Mariahilfer Straße. Falle in ein Bekleidungsgeschäft, aus dem ich nach fünfzehn Minuten als Besitzerin eines Abendkleides hervorkomme. Aber Spaziergang und Einkäufe scheinen meinen Elan aufgebraucht zu haben. Muss durch meine Poren verdampft sein. Stehe, einen Papiersack mit Firmenemblem an der Hand, als ermattete Werbeträgerin im Menschenstrom. Alle scheinen ganz genau zu wissen, wohin sie sich schieben lassen wollen. Bei den meisten ist das in meine Gegenrichtung. Werde dabei angerempelt und zunehmend müder. Stakse ungelenk die Straße entlang, Menschenmassen werden dichter. Mein Blutzuckerspiegel hat Knieniveau erreicht. Mir wird klar, dass es völlig unmöglich ist, meinen Heimweg zu Fuß anzutreten.
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