Die wilde Gärtnerin - Roman
nicht dem ›Verein zur Pflege und Nutzung des Fruchtbaumbestands Baumgartner Höhe‹ beitreten? Wir könnten jemanden mit deinem Händchen fürs Grüne brauchen. Unsere jungen Bäumchen tun sich momentan ziemlich schwer, Laubfraß und Raupen zu überstehen.« Helen hat ein bisschen zögerlich ihren Mund verzogen und gemeint: »Lass uns erst einen Platz für den Bienenstock suchen, dann erzähl ich dir das Geheimnis meines Gartens.« Womit sich die beiden in den hinteren Teil der Blumenwiese begeben haben.
Nach und nach sind immer mehr Freundinnen und Freunde eingetroffen. Ich bin einfach neben dem Willkommenstisch sitzen geblieben und hab alle begrüßt. Benno hab ich dabei irgendwie aus den Augen verloren, ich weiß nicht, wo er die ganze Zeit gesteckt ist. Jedenfalls war der Nächste, der mit verdächtigem Handgepäck angerückt ist, ein Tantriker, bei dem ich vor Jahren ein Seminar besucht hab. Er hat eine Katzenbox gebracht. Ohne Katzen, sondern mit einem Paar indischer Laufenten. »Gegen Nacktschnecken«, hat er erklärt. »Helen, kommst du bitte!«, hab ich gerufen. Es hat sich dasselbe verblüffte Gesicht und dieselbe dankbare Freude bei Helen abgespielt wie zuvor. »Hoffentlich fressen die mir nicht meine Regenwürmer aus dem Kompost. Und brauchen die nicht einen Stall?«, hat sie gemeint. Der leicht verzweifelte Ton in ihrer Stimme ist aber gar nicht voll zum Ausbruch gekommen, weil Erwin und Marianne, die im 3. Stock wohnen, gerade mit zwei Holzpaletten herein sind. Die wollten einen Workshop für mobile Gartenmöbel anbieten und haben ihre Materialien angeliefert. »Einen Enten-Stall?«, hat Marianne gefragt. »Den bauen wir!«
Der Garten hat sich immer mehr bevölkert. Die Laufenten sind herumgewatschelt. Bei diesem Anblick ist meine leichte Anspannung endgültig von mir abgefallen. Ich hab durchgeatmet, und das für mich übliche Vertrauen in den natürlichen Verlauf der Dinge hat sich von meinem Wurzelchakra aus bis in die Fingerspitzen hinein verbreitet. Ich hab gespürt, dass das Festival nicht perfekt sein muss und vor allem, dass ich nicht allein dafür verantwortlich bin. Alle gemeinsam tragen zum Gelingen bei. Hab ich mir in dem Moment jedenfalls gedacht. Dass es nur einige Wenige für die völlige Zerstörung des Fests braucht, hab ich ja noch nicht wissen können.
[…] Weiter – ja, also … ungefähr dreißig Leute sind im Garten herumgestanden und haben angeregt miteinander geredet. Das Gemurmel hat einen wohligen Klangteppich über den Hof gelegt. Und Helen war so gelöst wie schon seit Jahren nicht mehr. Ich glaub sogar, sie war glücklich. In den Wochen der Vorbereitung hab ich Bedenken gehabt. Was soll ich machen, wenn sie überreizt ist, wenn ihr der Trubel zu viel wird? Aber nichts da. Helen hat sich mit allen gut verstanden. Sogar mit einigen meiner Alten, die ebenfalls gekommen sind. Die sind friedlich auf der Parkbank gesessen oder haben die Klappstühle besiedelt. Richtig idyllisch haben die ins Grün gepasst.
Und dann ist Roland über die Schwelle getreten. Helen hat ihn gesehen – ich hab ja nicht gewusst, dass sich die beiden kennen. »Was machen denn Sie hier?« hat sie gerufen. »Das könnte ich Sie genauso fragen«, hat er erwidert. Aber Helen hat gelacht und ihm die Hand geschüttelt. »Ich wohne hier« – »Und ich bin von Toni eingeladen worden.« Wobei er auf mich gezeigt hat. »Sie interessieren sich für Meditation und Energiereisen?«, hat sie gefragt. »Das nicht, aber fürs Kochen.« Ich hab Roland erst einige Tage vorher auf der Mariahilfer Straße kennengelernt. Er ist am Boden gesessen, ein großes Schild über Ernährungssouveränität vor sich. Ich war neugierig und hab ihn ins Café eingeladen. Wahrscheinlich hab ich übermäßig viel von meinem Festival erzählt. Ich hab mir Sorgen gemacht, wie wir drei Mahlzeiten täglich für dreißig bis vierzig Leute kochen sollen. Da hat Roland seine Kochleidenschaft offenbart und angeboten, bei uns mitzumachen. Ich weiß nicht, woher Helen ihn kennt. Anscheinend hat sie doch auch ein Leben, von dem ich nichts weiß. Jedenfalls war sie hocherfreut, ihn bei uns zu sehen. Wie die Gruppe vollzählig war, hat Helen eine Gartenführung abgehalten, Interessierte in ihren Komposthaufen und ihre Humustoilette eingeweiht. Das ist bisher noch nie passiert. Sie war gut drauf, hat sich amüsiert und am Leben teilgenommen. In diesem Moment war ich wirklich im Einklang mit mir selbst, den Elementen und den Menschen in meiner
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