Die wilde Gärtnerin - Roman
Umgebung. Ja, verziehen Sie nur den Mund, aber genau das war mein Empfinden. Es war der perfekte Auftakt für das Sommerfestival, das sich auch ungetrübt weiterentwickelt hätte, wenn Ihre Kollegen nicht aufgekreuzt wären.
Helen hat Ihre Mannschaft als Erste gesehen. »Das ist ja wie bei den Marx Brothers in der Oper«, hat sie aufgelacht. »Toni, wen hast du denn noch alles eingeladen?« Aber die Herren in Vollmontur und schwerer Bewaffnung sind nicht auf der Gästeliste gestanden! Ihre Einsatztruppe – wie Sie wahrscheinlich wissen, was ich aber der Vollständigkeit halber wiederholen möchte – ist mit einem Karacho in den Garten und über die Stiegen ins Haus eingedrungen, dass es nicht mehr schön war. Die haben sogar Türen aufgebrochen, von Mieterinnen, die auf Urlaub waren! Das ging alles so blitzschnell und überfallsartig. Was haben die bei uns gesucht? Waffen? Drogen? Ich sehe noch den Einsatzleiter vor mir, der schnurstracks auf Helen zu ist, sie am Boden fixiert und ihre Hände im Rücken gefesselt hat. Von zwei Beamten ist sie in Handschellen abgeführt worden. Helen! Eine Frau, die ihr Haus nicht verlässt und Nacktschnecken auf das Nachbargrundstück schaufelt, damit sie Gewalt verhindert.
Ich war total perplex und hab überhaupt nicht begriffen, was sich da abspielt. Eine Horde bewaffneter Polizisten mit Vollvisierhelm und Ganzkörperschutz stürmt das Haus? Wir waren alle paralysiert. Ich meine, du kommst an einen Ort der Zusammenkunft, der Achtsamkeit und des freundschaftlichen Austauschs – und dann wird eine Frau vor deinen Augen verhaftet? Ich hab eine von meinen Alten schreien gehört. »Junger Mann, nehmen Sie sofort ihre Hände von mir, sonst leg ich Ihnen einen Oberschenkelhalsbruch hin, der Sie in die Schlagzeilen bringt. Ich bin fünfundachtzig und habe nichts zu verlieren, aber Ihr Leben liegt noch vor Ihnen.« Mit achtzig plus wird man zur wahren Revolutionärin, hab ich mir gedacht. Dann hab ich bereits die Handschellen klicken gehört, die ein Polizist um meine Gelenke gelegt hat. Ich war wie in Trance. Erst langsam hab ich begriffen, dass rund um mich Leute verhaftet und aus dem Garten geführt werden. Wie ich im Polizeibus gesessen bin, hab ich mir gedacht, die machen meine Festwoche kaputt, die zerstören alles, meine Festwoche ist aus. All die Mühe umsonst. Warum? Warum tun die das? Was wollen die von uns? … Jetzt bin ich schon fünf Tage in Haft und weiß es noch immer nicht. Soll das eine Machtdemonstration sein? Ein solches Aufgebot an Staatsmacht ist doch ein klarer Einschüchterungsversuch. Weil wir alternative Lebensentwürfe versuchen, oder? Sie wollen neue Ideen im Keim ersticken. Ist es das? Das ist Staatsterror, das wissen Sie! Ich mache Sie persönlich für die Zerstörung meines Festivals verantwortlich. Die ganze Arbeit, die ich in dieses friedliche Zusammentreffen gesteckt habe, die monatelange Vorbereitung, alles umsonst! Nur weil Sie glauben, wir hätten was mit Drogen zu tun, oder was weiß ich, was Sie glauben …
[…] Nein, ich bin weder politisch noch radikal und beruhigen tu ich mich schon gar nicht. Warum sind wir festgenommen worden? Ich will den wahren Grund für unsere Verhaftung wissen, sofort! Was ist mit Helen? Wohin haben Sie sie gebracht? Und Benno? Wo ist er? Sind die beiden im selben Gefängnis wie ich? Ich verlange jetzt endlich Antworten von Ihnen! Was soll das Ganze? Worum geht’s hier?
[…] Sie, ich war lange genug kooperativ, jetzt will ich endlich klare Antworten, das ist doch nicht zu viel verlangt. Wenn Sie mir nicht auf der Stelle sagen, was hier los ist, verweigere ich jede weitere Aussage.
[…] Es geht um Helen? – Nein. Das kann nicht Ihr Ernst sein. Das glaub ich nicht. Das muss ein Irrtum, eine Verwechslung sein. Was werfen Sie ihr vor? Dass sie Kunstdünger-Produzenten schädigt, weil sie Scheiße in Gemüse verwandelt?
+++ Österreich droht höherer EU-Beitrag +++ Soll EZB vermehrt Staatsanleihen kaufen? +++ Polizei hebt Esoterik-Zirkel aus und fasst mutmaßliche Attentäterin +++ Krawalle überschatten Athens 12-Milliarden-Sparprogramm +++ 5 Prozent mehr Arbeitslose in Österreich +++
2005
Helen schüttelte den Kopf, als wollten Ledas Worte nicht in ihre Ohren passen. »Aber das ist mir zu abstrakt«, sagte sie, wollte ihre Mutter nicht mit einer lapidaren Verabschiedung durchkommen lassen. »Du redest munter vor dich hin und willst mir einreden, bald tot zu sein? Mama, so geht das nicht, so kannst du das nicht
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